Monjé, Paula

Paula Monjé an Ernst Haeckel, Bad Nauheim, 4. Juni 1917

Villa Isolde Bad Nauheim

den 4/6 1917.

Hochverehrter Herr Professor!

(Exellenz kostet einen Groschen.)

Also, daß ich oft an Sie denke, wird Sie nicht verwundern. Daß ich zu faul bin – um Ihnen neben meinen „Muß-Arbeiten“ und Ihrem schönen Natur-Motiv heraus – etwas, was ich unter Ihre Füße breiten möchte || zu sticken, werden Sie glauben, wenn ich Ihnen sage – daß ich seit vergangenem Jahr über 40 lb abnahm (Kriegssteuer) aber daß ich Ihnen jetzt schreibe, wird Ihnen erst klar werden, wenn ich Ihnen sage, weßhalb. Ich war am Freitag krank über 38,9 Fieber konnte Samstag nicht baden, war kribbelig über verlorene Zeit, las die Frankfurter || Zeitung und las eine Kritik von einem Eduard von Bendemann – Sohn des Admirals, Enkel des Akademie-Directors – aus der Zeit der vertrockneten „historischen“ Kunst! über „Neue Kunst“. Da bekam ich Lust, nach Frankfurt zu fahren, und mir diese „Neue Kunst“ – anzusehen! Noch recht duselig vom Fieber kam ich hin, und bin empört gewesen! Nicht über die meist schlechten Bilder, wo man nicht weiß, ob ein Mensch von vornen oder hinten || gesehen ist, ob ein Fels oder ein Tieger gemeint ist, ob eine Farbtube caput gegangen ist – und abgeklatscht ist, oder ob es eine Blume sein soll, nein, das kennt man, aber da war ein „Elite Saal“, und es hing da. Gauguin, Van Gogh, Picasso und last, not least die eine Hälfte mit 7 Bildern von „Hodler“. Ist das nicht eine Schande, in jedem andern Land wäre das unmöglich. Denn Hodler, der alles Deutsche Barbarei nennt. Nun genug, || ich bin wüthend geworden, sagte dem Diener, der dabei in feldgrauer Uniform saß – weshalb – gieng zu der Vertreterin des Geschäftsführers – einer stupiden Person mit plumpem Gesicht wie eine Bulldogge und protestirte.

Schreiben Sie doch mal ein paar Worte gegen diese widerlich servile deutsche Unnatur! Frankfurter Kunst Verein.

Ihre freundliche Karte hat mir Freude gemacht. Ich sah die guten || Skizzen, die Reusing von Ihnen gemacht, und bewunderte ihn – ein Mann hat es doch besser, als eine Frau. Nächstens stelle ich einen Teil meiner großen Collection in Weimar aus. In Hamburg nannte man mich das Haupt der Malerinnen und fünfzig Männer zu beschämen! Na, das ist zu viel, aber in mir lebt alles? Aus dem “Diesseits“ oder “Jenseits“. Das weiß ich nicht. || Vielleicht fahre ich zurück über Thüringen, dann darf ich Sie doch besuchen.

Mit vielen, vielen

Grüßen

Ihre herzlich ergebene

Paula Monjé.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.06.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 25851
ID
25851