Hellwald, Friedrich von

Friedrich von Hellwald an Ernst Haeckel, Cannstadt, 12. Februar 1875

a

Cannstadt bei Stuttgart, 12. Februar 1875.

Hochverehrter Freund!

Ich will Ihnen ganz vertraulich eröffnen, dass ich auf Zacharias sehr böse bin; er hat mich mit der Besprechung der „Anthropogenie“ genarrt seit mehr denn drei Monaten. Ich wollte das Buch möglichst rasch besprochen wissen, deßhalb überließ ich die Arbeit ihm; hätte ich drei Monate daran studieren wollen, so hätte ich am Ende eine längere Anzeige selber machen können. Nicht genug an dem, sendet er mir einen Aufsatz der nach meinen Begriffen eine ganz übermäßige Länge besitzt. Ich weiß wohl, daß eine ausführliche Besprechung im „Ausland“ Ihnen nur erwünscht sein kann, allein nicht in der Manier des Dr Zacharias. Er befleißigt sich einer unendlichen Breite, welche eben nicht vortheilhaft ist, denn was er sagt, ließe sich alles viel kürzer sagen. Übermäßig lange Artikel, zumal wenn sie sehr breit gehalten sind, werden langweilig und bleiben vom großen Publikum ungelesen. Im Interesse der Sache glaubte ich demnach Herrn Dr Zacharias Knappheit empfehlen zu sollen, in der Hoffnung, daß ihn die Angabe eines bestimmten, unüberschreitbaren Maßes zu conciser Darstellungsweise anspornen würde. Aber ganz und gar nicht! sein Aufsatz || ist gerade so lang wie seine übrigen. Abgesehen also davon, daß die Länge bei ihm kein Beweis für die größere Ausführlichkeit ist, bringt sie mich in der That in große Verlegenheit, da ich auf einen gar so großen Raum nicht gerechnet hatte. Bei dem Umstande als ich etwa am 20. des Monats nach Italien gehe, um erst Ende März heimzukehren, müssen sämmtliche, in die Zeit meiner Abwesenheit fallende Nummern des „Ausland“ im Vorhinein redigirt sein, was lange, wohl nicht rückgängig zu machende Vorarbeiten und Anordnungen voraussetzt. Da Zacharias sich meinen Wünschen nicht bequemte, so bleibt mir nichts anderes übrig, will ich nicht seine ohnehin schon so arg verspätete Arbeit bis zu meiner Heimkunft liegen lassen, als das mühsame Werk meiner Vorarbeiten umzustoßen und von Neuem zu beginnen. Daß ich darüber nicht in rosige Laune versetzt bin, brauche ich Ihnen, hochverehrter Freund, kaum zu sagen, und werden Sie meine Situation recht wohl begreifen. Zacharias, der, glaube ich, selbst Redacteur ist, sollte es auch, und sollte auch wissen, daß ein Redacteur nicht immer Herr seiner Entschließungen ist, seinen Wünschen also möglichst Rechnung zu tragen sei. Zacharias behauptet nun freilich, sein Artikel sei nicht so lang, und in diesem Falle wäre mein Ärger blind, allein mein ziemlich || geübtes Auge täuscht mich nicht so leicht. Jedenfalls will ich alles daran wenden, um ihn möglichst unverkürzt aufzunehmen und somit Ihrem geehrten Wunsch um ausführliche Besprechung nachzukommen. Eine kurze und flüchtige Anzeige habe ich selbst von jeher ausgeschlossen, mein Hauptaugenmerk ging nur dahin, durch relative Kürze des Aufsatzes zur Lectüre desselben zu locken. Dazu muß man freilich die Kunst üben, in wenig Worten viel zu sagen.

Seien Sie nicht böse, hochverehrter Freund, daß ich Ihnen alles dies vorplaudere, ich wollte Ihnen nur zeigen, daß mir Ihr Wohl, Ihre Wünsche warm am Herzen liegen. Meine Culturgeschichte hat mir manchen Brief eingetragen, worin auch Ihrer gedacht wird, und nicht immer in der freundlichsten Weise. Glauben Sie mir, wir sind den Leuten ein gewaltiger Dorn im Auge, und wir würden noch mehr angefeindet werden, wenn die Leute nur wüßten wie. Das thut aber Nichts; es ist ein Kampf, den wir kämpfen und in diesem werden Sie immer an Ihrer Seite, Schulter an Schulter finden

Ihren

treu ergebenen

Hellwald

a gestr.: FRIEDRICH V. HELLWALD REDACTION DES „AUSLAND“.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
12.02.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 25520
ID
25520