Muller, Johan

Johan Jacob Aernoud Muller an Ernst Haeckel, Batavia, 2. Dezember 1901

Batavia, 2. December 1901

Hochverehrter Herr Professor!

Sehr angenehm bin ich überrascht, durch den Empfang der schönen Werke, welche Sie mir gütigst zum Andenken geschenkt haben; Prof. Treub hat mir dieselben aus Buitenzorg übersandt. Wenige Tage nachher kam noch dazu als weitere Ueberraschung mit der Post die illustrirte Ausgabe Ihrer Briefe aus Insulinde. Ich bring Ihnen dafür meinen verbindlichsten Dank, auch namens meiner Frau, welche die Werke ebenfalls gerne lesen wird und besonders die „Kunstformen der Natur“ bewundert! Ihre Werke bekommen den Ehrenplatz in meinem Bücherschrank und werden als Andenken an die Tage, welche Sie mit uns erlebten, uns immer von groszem Werth sein; um Sie in unserm lebhaften Andenken aufrecht zu erhalten bedürfen wir Deren aber gewiss nicht!

Es freut uns, dass Sie sich im || lieben Vaterlande bald erholen haben können vom Missgeschick, das Ihnen in Padang begegnete. Wie schade doch, dass a deswegen nicht alle ihre Pläne zu wissenschaftlichen Untersuchungen in Sumatra zur Ausführung gelangen könnten; wie Viel wird da der Wissenschaft entgangen sein! Ich bewundere Sie, wie Sie diese Kraft gefunden haben, sich über diese unglückliche Bescherung hinweg setzen zu können!

Ich erlebte als Führer der niederländischen Expedition zur Beobachtung des totalen Sonnenfinsternisses vom 18. Mai d. J. zwei sehr interessante Monate in Sumatra, in der Nähe von Painan, südlich von Padang. Leider waren wir aber sehr niedergeschlagen als am groszem Tage der Himmel nicht mit uns und die Sonne von leichten Wolken bedeckt war, welche natürlich einen sehr störenden Einflusz auf die Beobachtungen hatten! Doch haben die Ergebnisse sich noch von höherem Werth erwiesen, als wir anfangs meinten. Die Flash-photographien der Prisma-camera zeigen selbst eine Erscheinung, welche früher nicht beobachtet ist; die Verdoppelung der || Spectrallinien. Es ist dies eine glänzende Bestätigung einer Theorie über das Wesen der Erscheinung von Prof. H. W. Julius in Utrecht der ebenfalls Mitglied unserer Expedition war, und darüber schon eine Mittheilung gemacht hat in der October Versammlung der K. Akademie der Wissenschaften in Amsterdam. Seine Theorie steht in engstem Zusammenhang mit einer Theorie des Dr. August Schmidt, der – meines Erachtens auf guten Gründe – behauptet, dass das Sonnenbild nur eine optische Illusion sei, die Sonne selbst eine glühende Gasmasse ohne bestimmte Begrenzung!

Empfangen Sie mit Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin unsere herzlichsten Grüsze; wir wünschen Ihnen frohe Weihnachten und ein glückliches Neujahr!

Hochachtungsvoll

Ihr Ergebenster

Muller.

a gestr.: Sie

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.12.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 24805
ID
24805