Mulder, Lodewijk

Lodewyk Mulder an Ernst Haeckel, Breda, 19. Mai 1857

Mein lieber Ernst!

Endlich wird es doch einmal Zeit, daß ich Dir einige Zeilen schickte, denn obgleich Du wohl mehrmalen von uns gehört haben wirst, bist Du nun zu weit vom Hause um mündliche Nachricht zu bekommen. Bald ist es acht Jahre her, daß wir zusammen die Paulinzelle in Thüringen abconterfeit haben, und die hübschen Mädchen in Ruhla bewunderten.

In der Zeit ist schon vieles a verandert: ich habe mir eine Frau angeschafft und Du bist ein ganz gewaltiger Gelahrte geworden, der so mir nix Dir nix ein Frosch auseinander schneidet und ihn gleich darauf wieder als eine zweite und verbesserte Edition zusammensetzt. Auch wird Dein Heu-magazin nun wohl ganz ungeheuer angewachsen seyn! Aber Spass bei Seite – mit lebhaftem Interesse habe ich Dich immer in meinen Gedanken gefolgt und die größte Freude gaben mir immer die Nachrichten, welche ich von Dir und Deinen Studien bekam; – so schriftliche von Gertrude unsre treue Correspondentinn als mündliche von Deinen lieben Eltern, || mit den wir recht angenehme Stunden in Aurich verlebt haben.

Dein Photographisches Bild hängt in unsrem Wohnstube mit dem Deines Großvaters, des Onkels Grollmann, Onkel und Tante in Aurich usw. Es ist sehr ähnlich, das konnte ich gleich sehn. Mit Freude haben wir auch die Aussicht begrüßt Dich einmal bei uns zu sehn; das mußt Du aber ganz bestimmt thun wäre es nur lediglich lediglich um das wunderschöne Cabinet in Leiden zu sehn, das wohl von kein anderm übertroffen wird. –

Nun möchte ich aber wohl wissen, wann Du Dein letztes Examen machen wirst, denn das hört ja nicht auf und jedesmal höre ich von ein neues das bald vorhanden ist. Und was wirst Du dann anfangen, wenn die Studien abgelaufen sind; wenigstens wenn niemand mehr das Recht hat Dir allerlei Fragen zu thun worauf Du antworten möchtest: „Nanu, das würdest Du nicht wissen!“ – Denn das ist doch eigentlich ein Examen. Schreibe mir etwas von Dir und Deine Pläne. Und schreibe mir einmal, wie es Dir in Wien gefällt, denn da bist Du nun schon mehrere Woche, wie uns Gertrude gestern || schrieb. Wenn Du uns Wien recht angenehm beschreibst, und die Zeit hast, uns wenigstens einen Tag da herum zu führen, – wer weiß ob wir da nicht den Lust bekommen Dich in den letzten Tagen von Juli ein Besuch abzustatten. Wenn das der Fall wäre, da möchte ich doch erst noch einiges wissen, was Du mir vielleicht schreiben könntest. z. B. wenn wir über München kommen, wie der beste Route von da nach Wien ist (der Donau?). Gut ist hier einigermaße synonym mit wohlfeil. Und ob man in Wien billig lebenb kann; überhaupt ob es die Reisec werth ist. – Wenn Wien nur halb die Reise werth ist, dann bist Du es gewiß wenigstens um die andere Hälfte. – Kannst Du uns vielleicht in München abholen, oder hast Du keinen Zeit dazu? Nun schreibe mir allerlei und gieb mir Deine Adresse in der Kaiserstadt.

Sehr viele Grüße von Aldegonde, und halte Dich wohl

Dein treuer Vetter

Lod. Mulder

Breda 19 Mai 1857.

a gestr.: verwa; b Papierausriss, Text sinngemäß ergänzt; c Papierausriss, Text sinngemäß ergänzt

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
19.05.1857
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 24686
ID
24686