Nebuschka, Marie Luise

Marie Luise Nebuschka an Ernst Haeckel, Dresden, [nach 22. Februar 1917]

Dresden-Klotzsche

Bahnhofstr. 8.

Sehr verehrte Exzellenz!

Ihr letztes Schreiben hat mich tief betrübt u. wenn ich nicht gefürchtet hätte, Ihr Mißfallen zu erregen, wäre ich am liebsten gleich selbst gekommen.

Ich habe das bestimmte Gefühl, daß ich Ihnen gerade jetzt, wo Sie leiden müssen, etwas sein könnte.

Glauben Sie mir, es wäre für mich das Höchste was ich erreichen möchte.

Soll ich wirklich immer nur „schön Dank“ sagen für das, was Sie mir gegeben? ich will das gar nicht ausdenken.

Immer u. immer wieder muß ich Ihre || lieben Zeilen lesen. Nein, das darf einfach nicht sein, Sie sollen nicht verzagt u. traurig sein. Wie ist denn das nur möglich?!

Exzellenz, es wird eine jener Augenblickswogen sein, die uns Menschen oft ergreifen; Ihnen wird Sie nichts anhaben.

Ach, könnt ich Ihnen doch all die Hässlichkeiten die Sie niederdrücken vergessen machen, dürft ich Sie gesund pflegen, damit Sie wieder der Alte werden. Unser großer, mutiger Führer, auf den wir so stolz sind, an dessen Hand wir ruhigen Herzens über Sumpf u. Abgrund den höchsten Gipfel ersteigen. Liebste, hochverehrte Exzellenz, wenn Sie die Hilfe eines jungen, noch hoffenden Menschenkindes nicht verschmähen möchten, wenn ich Ihnen zu gering bin, ich wäre so glücklich, wenn Sie mich rufen würden. || Wie gern möchte ich Ihnen meinen Lebensmut meine Kraft geben, dann hätte mein Leben doch Zweck.

Und dann Exzellenz, soll ich Sie wirklich nie sehen u. sprechen?

Den Mann, der mir das Leben geschenkt, der mich wach gerüttelt hat, der mich klar sehen u. fühlen lehrte? –

Nein, der Krieg, dieser hässliche Krieg darf kein Hinderniss sein, das wäre absurd. Und dieser Krieg kann es auch nicht sein, was Sie, hochverehrte Exzellenz, so pessimistisch denken läßt.

Sie haben tieferen Kummer, ich fühle das, und ich möchte ihn so gern lindern. Wenn ich Sie nicht störe (bitte sehen Sie keine Fremde mehr in mir) schreiben Sie mir, daß ich kommen darf. Ich wäre sehr glücklich darüber. ||

Der Gedanke, daß Sie leiden stimmt mich ganz traurig, hoffentlich ist es besser geworden, hoffentlich darf ich Ihnen etwas helfen. – Und nun zu Ihren lieben Zeilen.

Leider haben mich Exzellenz falsch verstanden was meine Bitte anbetrifft. Leider habe ich mich nicht deutlich ausgedrückt. Ich würde es nie wagen u. nie daran denken gerade Sie, Exzellenz, um Unterstützung zu bitten, das käme mir vor, als wenn ich selbst das Band zerreißen würde, was mich im Herzen so innig mit Ihnen verbindet.

Die Sache ist ganz einfach die: Von Beruf bin ich Schauspielerin, kann aber leider bei den jetzigen Verhältnissen kein Engagement finden, obwohl ich mir große Mühe gegeben u. gute Empfehlung habe. Darauf kommts nur leider nicht mehr an. – Zeit, mich dem Schmerz darüber hinzugeben habe ich nicht. [bricht ab]

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
nach 22.02.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 24003
ID
24003