Nebuschka, Marie Luise

Marie Luise Nebuschka an Ernst Haeckel, Dresden, 31. August 1917

31.8.17.

Dresden-Klotzsche

Bahnhofstr. 8.

Hochverehrte Exzellenz!

Nun wäre ich wieder zu Haus angelangt. In Berlin habe ich nicht viel erledigen können, weil der Zug früh von Jena über eine Stunde Verspätung hatte, wodurch ich noch einmal das Glück hatte, die lieben Thüringer Berge im Nebelschleier zu sehen.

Was waren das für Tage! Ach Exzellenz, ich kann gar nicht ausdrücken, wie dankbar ich Ihnen bin für all das Schöne u. besonders für den letzten unvergesslichen Abend (Goethes Geburtstag.) Was wollt ich da nicht alles, aber vor so viel Güte u. lieben Aufmerksamkeiten war ich ganz verwirrt u. ich muste [!] mich nur imemr fragen, ob es denn auch alles Wahrheit sei u. kein Traum. Ich danke tausend tausendmal für alles, es wird mir diese schöne Erinnerung fürs ganze Leben ein Lichtstrahl sein, der mir helfen soll, das Traurige u. Hässliche, an dem wir nicht vorüber kommen, zu ertragen. ||

Das Bewußtsein, daß es noch einen Menschen gibt, in dem alles Schöne u. Gute u. Wahre u. Reine so herrlich vereint ist, wird mich stets hochhalten.

Meine Eltern u. Schwestern haben sich sehr über mein großes Glück gefreut u. sagen Exzellenz ihren aufrichtigen Dank für alle Liebe u. Güte. – Schade nur, daß ich immer so viel Angst u. Sorge hatte Exzellenz zu mißfallen, wodurch ich wol oft noch unfrei war, aber ich hoffe, Exzellenz haben mich trotzdem verstanden. – –

In Gedanken sehe ich noch alles vor mir; wo ich auch geh’ u. bin, die schönen Bilder von Exzellenz, die mich so sehr entzückt, das Zimmer, all das Schöne darin, u. vor allem Exzellenz, wie Sie am letzten Abend so herrlich schön vor mir standen, so festlich u. jung.

Bölsche, dessen Aufsatz zu den herrlichen Bildern ich unterwegs las, spricht mir wirklich aus dem Herzen.

Doch nun will ich Exzellenz nicht länger stören, sicher haben Sie wieder eine große Arbeit, oder schreiben Exzellenz Ihr schönes, reiches Leben? ||

– Bär Dalen ist ja entzückend, die Gedichte ganz meine Meinung.

Wenn doch alle Menschen diese gesunde, schöne Weltanschauung von Exzellenz hätten, dann sähe es freilich anders aus auf unserer schönen Erde.

Welch ein großes Glück es war, daß ich in all diesem Wirrwarr u. Hässlichem, Exzellenz kennen lernen durfte, empfinde ich täglich neu u. schön. Möchte ein gütiges Geschick meine Hoffnung auf ein Wiedersehen u. meine innigsten Wünsche für Exzellenzs [!] Gesundheit, erfüllen.

Mit größter Hochachtung

in dankbarer Verehrung

Ihre ganz ergebene

Marlis Nebuschka.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
31.08.1917
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 23999
ID
23999