Hein, Reinhold

Reinold Hein an Ernst Haeckel, Danzig, 7. Juli 1867

Danzig d. 7t Juli 1867.

Mein lieber Häckel!

Vor einigen Tagen erhielt ich Deine voluminöse Zusendung mit Ankündigungen noch voluminöser Arbeiten, die gewiß von sehr hohem Interesse sind und Dein Lieblingsthema zum Gegenstande haben, für das ich als Laie mich, wie Du weißt, auch interessire, wenn es mir auch bei meiner sehr beschränkten Zeit nicht möglich ist, einigermaßen gründlich nachzulesen. Zwischen alle dieser trockenen Gelehrsamkeit über die Bestien, – zu denen wir Menschen zu gehören die Ehre haben, – da steckst Du nun in Deiner Weise das Blatt auf dem Du mir Deine Verlobung anzeigst! Nun, das ist so Deine Art, und wenigstens hast Du mich auf diese Weise noch besonders überrascht. ||

Wie Du wohl erfahren haben wirst, besuchte ich im Januar c. Deine lieben Eltern, fand Deinen guten alten Vater recht gealtert, und Deine Mutter recht tief von Gram über den großen Verlust Deiner Schwägerin gebeugt. Ihr schien alle Hoffnung geschwunden, und ihr sehnlicher Wunsch – der aber noch unserer beider Ansicht durchaus keine Aussicht auf Erfüllung hatte – war das, daß Du noch einmal Dich entschließen mögest zu heirathen. Ich habe es Dir vor 2 Jahren schon gesagt, daß ich nicht glaube, daß selbst die intensivste Beschäftigung mit Deiner Wissenschaft Dir genügen, Deinem Gemüth Befriedigung gewähren, mit einem Worte, Dich zu einem glücklichen Menschen machen könne; dazu kenne ich Dich zu genau. Nun, Gottlob, es ist so geworden, wie ich gehofft, und ich wünsche Dir von ganzem Herzen Glück, und recht || klares Bewußtsein vom Genusse dieses Glückes, das uns in der Erinnerung über die unausbleiblichen schwarzen Stunden hinweg hilft. –

Von mir ist nicht viel zu sagen. Ich schiebe den schweren Karren der Praxis, so gut es geht weiter und denke zuweilen, so gut wie ein gewisser B. Sch. würdest Du Dich am Ende auch noch auf Eileythyaʼs Lehrstuhl machen, und dabei nicht so geplagt sein. Dann denke ich aber wieder, wie sehr ich Ursache habe, zufrieden zu sein, und wie glücklich ich Manches überwunden habe. In diesen Tagen gedenke ich natürlich der schwarzen Tage des vorigen Jahres und es macht mir Spaß, mit meiner Frau die Briefe u. Zettel von den Schlachtfeldern von Trautenau, Königgrätz und Tobitschau wieder zu lesen, die ihr damals von so großem Werthe sein mußten. Uebrigens kümmere ich mich um die Militaria nichts mehr, sondern bin – was dem Schuler unbegreiflich erscheint – in dem national-liberalen Wahl-Komité! – ||

Mein Haus lasse ich mir nett einrichten und dekoriren und wohne einige Wochen in einem Gärtchen an den Wällen des Bischofsberges, indem ich mir einbilde, auf dem Lande zu wohnen. Für die Kinder ist es auch gut, daß sie der dicken Stadtluft etwas entrückt werden. Sie sind übrigens prächtig im Stande und machen mir viele Freude. Meine Frau ist, nachdem sie im Herbst eine schwere Augenentzündung überstanden wieder ziemlich frisch. Nun schreibe Du mir aber auch etwas über Deine liebe Braut, die ich unbekannterweise herzlich als Freundin willkommen heiße, und begierig bin, kennen zu lernen. Ich muß dankbar sein, wenn es ihr gelingt, meinem armen alten Freunde den Frieden und die glückliche Ruhe des Gemüthes wiederzugeben, die ein trauriges Schicksal ihm raubten.

In alter Freundschaft

Dein Reinold Hein

Dem Gerhardt lasse ich, für die Anzeige von der neuesten Auflage seiner Werke dankend, gratuliren.a

a Text weiter am linken Seitenrand: Dem Gerhardt … dankend, gratuliren.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
07.07.1867
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 23512
ID
23512