Rautenfeld, Paul von

Paul von Rautenfeld an Ernst Haeckel, Sankt Blasien, 26. Juni 1901

Hochgeehrter Herr Professor!

Nachdem ich im März aus Ägypten nach Europa gekommen war, bekam ich, wohl in Folge von plötzlichem Klimawechsel, einen Rückfall in meiner scheinbar gewichenen Augenentzündung und mußte mich dann sieben Wochen von Professor Michel in Berlin behandeln lassen. Nun habe ich eben mit meiner Mutter die Kur in Karlsbad durchgemacht und wir erholen uns augenblicklich in dem reizenden St. Blasien. Ich lerne || dabei zum ersten Male den Schwarzwald kennen. Wie schön, und doch wie verschieden ist er vom Urwalde bei Fjibodas! –

Da ich im April die Zeitungen nicht lesen konnte, so weiß ich garnichts Näheres über Ihre Rückkehr nach Jena und ob Sie Ihre schöne Forschungsreise zu Ihrer vollen Befriedigung vollendet haben. Sie würden mich daher, Herr Professor, sehr beehren und beglücken, wenn Sie durch ein paar Zeilen in Bezug darauf meine Wißbegierde befriedigen wollten. Von Mitte Juli an wird meine Adresse in Riga, I Weidendamm No. 14 sein. Ich verlasse schon morgen St. Blasien, um über Goslar und Hamburg in die Heimat zurückzukehren. Leider kann ich in diesem Jahre, meiner noch angegriffenen Augen wegen, nicht nach Jena kommen, hoffe aber im nächsten Frühling einige Wochen, mit Ihrer freundlichen Erlaubnis, Ihre Vorlesungen || besuchen zu können. Jeden Vortrag nehme ich dann als unvergeßliche Erinnerung mit mir nach China mit, welche mich nach fünf Jahren, wie ich zuversichtlich hoffe auf längere Zeit, wieder nach Ihrem Hörsaal führen wird.

Unvergeßlich werden mir auch die Tage bleiben, welche ich das Glück hatte mit Ihnen in den Tropen zu verbringen; sind Sie doch, Herr Professor, mein großer, leitender Genius, der mir zu einer Weltanschauung verholfen hat, welche ich für die edelste Errungenschaft des Menschengeistes halte, mögen noch so sehr die zünftigen Metaphysiker Paulsen, Adickes und Genossen sich bemühen sie mit niedriger Schmähsucht zu verunglimpfen.

Indem ich einer guten Nachricht von Ihnen entgegensehe, verbleibe ich,

hochgeehrter Herr Professor,

Ihr, Ihnen ganz ergebener

P. von Rautenfeld

St. Blasien

den 26. Juni 1901.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
26.06.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 22281
ID
22281