Radowanowic, Marinko

Marinko Radowanowic an Ernst Haeckel, Belgrad, 28. November 1875

Berühmter Autor!

Sie werden wohl erstaunt werden dass ich Ihnen so unbekannt und in einer so fremden Sprache mir die Frechheit erlaube diese Zeile an Sie zu richten. Ich hoffe aber, Sie werden es nicht übel nehmen wenn Sie erfahren dass es der unglückliche Vater thut an der Stelle seines vielgeliebten Sohnes.

Es war in Meran 1873 als mein Alexa Ihr werthen Brief vom 8. Dec. bekam, mit dem Erlaubniss seine Übersetzung Ihres berühmten Werkes: „Die Natürliche Schöpfungsgeschichte” publiciren zu dürfen. Ihr Brief und die beigelegte Photographie von Ihnen hat ihm damals unsägliche Freude gebracht und bis zum letzten Augenblicke seines Lebens blieb er ihm eine der theuersten Gegenstände. Noch in demselben Jahre liess er seine Übersetzung drucken. Aber, wegen den besonderen Verhältnissen unseres Buchdruckereiwesens einerseits und wegen seiner Krankheit und Abwesenheit andererseits, wurde die ganze Arbeit so sehr verzögert, dass er selbst der Freude beraubt war sein Werk fertig gedruckt zu sehen. Er starb im 23. Jahre seines Lebens gerade in der Zeit wo er als solider Arbeiter an das unbebaute Feld unserer jungen und schwachen Literatur auftreten wollte, im Augenblicke, wo nicht nur ich als Vater || sondern alle unsere Männer der Wissenschaft einen so hohen Werth auf sein Leben und Thaten legten ...

Er war nicht glücklich Ihnen hochverehrter Professor seine Übersetzung selbst zu schicken; ja, der Tod hat ihm die große Freude entnommen Ihnen persönlich sein Danck sagen zu können. Er verliess dass mir seinen unglücklichen und tief betrübten Vater, eben so, wie es vor einigen Jahren geschah dass der ältere Bruder von Alexa, der eben so gut und fleissig war, und ebenso in 23 Jahre seines Lebens starb, mir verlassen hatte, seine Übersetzung des Ortolan Werkes: „Die Principien des Criminalrechts” dem geehrten Professor und Autor nach Paris zu schicken.

Neben meinem Pflichte volge ich also noch der Bitte meines Sohnes, wenn ich diesmal wage Sie allerhöflichst zu ersuchen dieses Exemplar seiner Übersetzung in der Form zu empfangen, wie sie dem Serbischen Publikum gereicht worden ist. Mag diese Übersetzung Ihnen ein schwaches Zeichen jener Hochachtung sein, welche wir alle in unserem Lande gegen Ihnen hegen; und mag dieses Buch der schwache Ausdruck jener Dankbarkeit sein, mit welcher nicht nur mein Sohn, sondern nach allen Recensenten, unsere ganze Literatur und die kommende Generationen Ihnen zu danken haben, da die ewige und sonnenhelle Wahrheit Ihrer Worte muss auch dem unseren Volke am Wege seiner Culturentwickelung als klarer Stern leuchten.

Ich habe meinen Sohn Milan, stud. med. in Heidelberg, Bruder von Alexa, beauftragt, Ihnen meine || Worte in die Deutsche Sprache zu übersetzen und mit dem Buche und meinem Briefe Ihnen zu überreichen, wofür ich wiederholt um Entschuldigung bitte.

Genehmigen Sie sehr verehrter Herr die Überzeugung meiner Hochachtung

Ihr ergebenster

Marinko Radowanowic

Ehemal. Mitglied des Kassationsgerichts.

Belgrad

28. Nov. 75.

Wracar No 4.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
28.11.1875
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 22102
ID
22102