Rade, Emil

Emil Rade an Ernst Haeckel, Münster in Westfalen, 14. bis 17. Februar 1877

Münster den 14. Februar 1877.

Hochgeehrter Herr!

Soeben erhalte ich Ihren so überaus freundlichen Brief vom 12t und kann nicht umhin, denselben sofort zu beantworten, obgleich ich dieses Schreiben erst abzusenden gedenke, wenn von Herrn Darwin eine Antwort auf unsre Ehrengabe eingegangen, was hoffentlich in nächster Zeit der Fall sein wird.

Für Ihre und Ihres Töchterchens Photographie sage ich Ihnen herzlichsten Dank und freue mich, Ihnen auch meine Photographie hiermit zusenden zu können. Wie werden meine Frau und meine Kinder – ich habe 2 Knaben von 15 und 13, und 2 Mädchen von 9 und 7 Jahren – sich freuen über das allerliebste a Töchterchen meines hochverehrten Gönners, dessen Name in meiner Familie so oft genannt wird.

Zu Ihrer Reise nach dem schönen Süden begleiten Sie meine besten Wünsche für Ihre Gesundheit sowohl wie für recht ansehnliche Bereicherung der Wissenschaft; unter den dargelegten Umständen habe ich aber von der Inanspruchnahme Ihrer Vermittelung bei Uebersendung meines Rechenschaftsberichtes Abstand genommen und werde schon Mittel und Wege finden, meinen Zweck auch ohne weitere Belästigung für Sie zu erreichen. Bezüglich der Jenaer Studenten werde ich die Vermitte-||lung eines Ihrer Herren Collegen in Anspruch nehmen.

Es würde mich nun recht freuen, demnächst von Ihnen zu erfahren, daß Sie gesund und mit den Erfolgen Ihrer Reise durchaus zufrieden wieder heimgekehrt sind. Dann werde ich Ihnen auch mittheilen, welcherlei Eindrücke Ihre mir gütigst zugesandte Perigenesis auf mich gemacht hatb. Daß ich mich dafür noch nicht bedankt, wollen Sie freundlichst verzeihen und dem Drange meiner Geschäfte von allerlei Art zugute halten.

Die beiden Photographien werde ich noch an Herrn Darwin senden, sobald ich den Namen und Wohnort entziffern zu lassen im Stande bin, um denc betreffenden Herren Nachrichten über den Empfang u.s.w. zugehen lassen zu können.

Als Vorstand im hiesigen literarischen Verein, dessen erste Vierteljahrsschrift mir zur Correktur vorliegt, habe ich eine Menge Arbeit; ebenso als Schriftführer im Ausschußrath für die General-Versammlung des naturhistorischen Vereins und der Aerzted der Rheinlande und Westfalens, die zu Pfingsten hier tagen wird; ferner als Schriftführer in dem Comite für die mit dieser Versammlung zugleich stattfindende Ausstellung von Lehrmitteln zum Studium der Zoologie; ferner mit Abfassung || des Jahresberichtes der zoologischen Sektion u.s.w. u.s.w. habe ich gerade soviel zu thun, daß ich an Schlafen kaum denken darf – aber was man freiwillig thut, das schlägt man so hoch nicht an und ich denke auch einmal, früher oder später, für alle meine Bemühungen doch noch belohnt zu werden – wenn die Herren Pfaffen mich bis dahin am Leben lassen!

Die große Ente von dem Ausspruche Carlyle’s über Darwin habe ich auch – zum großen Aerger aller Anti-Darwinianer hier – mit Hülfe von Dr. Zacharias gründlich lahm gelegt und wenn mir auch leider die nöthigen Kenntnisse fehlen, um für die Wissenschaft direkt wirken zu können, so habe ich doch die Genugthuung, hier für dringend nöthige Aufklärung das meinige mit Erfolg gethan zu haben. Damit Sie, hochverehrter Herr Professor, mich aber nicht für einen alten Renommisten halten, will ich hiervon schleunigst abbrechen.

Am 17.2.e Da die sehnlichst erwartete Antwort von Down noch immer nicht eingetroffen ist, sende ich dieses Schreiben so ab und wünsche Ihnen nochmals von Herzen glückliche Reise und gute Erfolge.

In vorzüglichster Hochachtung

Rade

Verte si placet ||

P. S. Noch dürfte es für Sie von Interesse sein zu erfahren, daß nach den mir gestern und heute zugegangenen Mittheilungen eine ganze Reihe von Zeitungen pp. in Deutschland und der Schweiz zum 12. Februar Artikel über Darwin – sowohl was seinen Geburtstag wie auch was die deutsche Ovation betrifft – gebracht haben, darunter mehrere von bedeutendem Umfang.

Der Obige

a gestr.: K; b korr. aus: haben; c korr. aus: dems; d eingef.: und der Aerzte; e eingef.: Am 17.2.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.02.1877
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 22080
ID
22080