Reimer, Ernst

Ernst Reimer an Ernst Haeckel, Berlin, 21. Juli [1870]

Berlin den 21. July

Liebster Ernst

Damit Du wegen der Beantwortung Deines Briefes vom 19ten dieses Monats nicht zu ungeduldig werdest, will ich Dir in Vertretung meines Vaters, der jetzt, Gott weiß wo, sich befindet, Dir wenigstens meine unmaßgebliche Ansicht über Dein Projekt mittheilen, und die ist zu allererst, daß ein Buchhändlerischer Ertrag jetzt oder für die nächste Zeit gar nicht dabei zu erzielen sein wird, denn erstens hat der Handel zur Zeita gänzlich aufge- [Lücke] ||

da die Eisenbahnverwaltungen gar keine Frachtgüter mehr annehmen, Zweitens wird jetzt und solange der Krieg dauert und auch noch einige Zeit hernach nichts als Kriegskarten gekauft und nichts als Zeitungen und deren Extrablätter gelesen, literarische Neuigkeiten in dieser Zeit mögen sie noch so trefflich und im Grunde auch Zeitzeugniß sein, sie werden bei solcher Aufregung nicht gelesen, sie bleiben Makulatur; doch darin kann man sich irren und andere || Buchhändler mögen eine andere und richtigere Ansicht haben, aber was uns selbst besonders abhalten würde den Verlag dieser Vorträge zu übernehmen, ist die jetzt allgemeine Annahme daß jeder Verleger seinen Autoren gegenüber mehr oder weniger Betrüger ist und daß mir sonach nichts gewisser ist, als daß man uns des Betruges beschuldigt, wenn wir sagen müssen: die Kosten sind noch lange nicht gedeckt, wir haben fast gar nichts abgesetzt, die Kosten sind geradezu gedeckt, || wir haben 500 r oder 1000 oder 2000 Thlr. Reinertrag erzielt, niemals glaubt man uns, immer heißt’s, der Kerl wird sich schon vorgesehen haben, oder im günstigsten wohlwollendsten Falle: der Kerl ist ungeschickt der thut nichts für den Vertrieb, es ist die alte Geschichte die einem einzelnen gegenüber, wenn man das Geschäft nicht überhaupt aufgeben will ertragen werden muß, die aber von einem Consortium von Autoren, wo noch der eine den andern aufhetzt nicht ertragen werden kann.

Mein Bruder Friedrich, der aus Rom hergekommen ist wird Ende dieser Woche von hier abrücken. Grüße bestens Deine liebe Frau, deren Befinden sich jetzt hoffentlich gebessert hat.

Dein treuer Ernst Reimer

a eingef.: Zeit

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.07.1870
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 21125
ID
21125