Roggenbach, Franz Freiherr von

Ernst Haeckel an Franz Freiherr von Roggenbach (Kurator), Straßburg, 3. Februar 1872

Straßburg 3 Februar 1872.

Hochgeehrtester Herr Professor!

Ihr Schreiben vom 31ten vorigen Monats ist mir am 2ten dieses Monats richtig zugegangen, und Sie werden es mir verzeihen, wenn ich mir nicht versagen kann, dem schmerzlichen Bedauern Ausdruck zu geben, mit dem das Schwinden der Hoffnung, Sie hier mitten in dem Kreise ausgezeichneter Männer wirksam zu sehen, die schon jetzt der jungen Hochschule gesichert sind.

Da ich wußte, wie eng sie mit Professor Gegenbaur zusammenarbeiten, hatte ich freilich seit dessen Ablehnung stille Zweifel gehegt, und gerade darum die || Ablehnung des Herrn Prof. Gegenbaur doppelt schwer empfunden. –

Als ich mich an Prof. Gegenbaur wandte, war bei mir schon längst festgestellt, daß nur Sie denselben ergänzen konnten, von der zoologischen Seite und ich hatte deshalb ja auch ausdrücklich an Herrn Gegenbaur geschrieben, daß ich den Zoologen nach seinen Wünschen wählen würde. Wenigstens müßte mein Gedächtnis und meine Absicht mich doppelt getäuscht haben, läge die Sache anders. –

Im October war ich in Leipzig gewesen, und hatte dort von Prof. Leuckart den bestimmten Entschluß erfahren nicht anzunehmen – wenn er gerufen würde –. Seither konnte ich ja kaum einen anderen Gedanken verfolgen, als Sie zu veranlassen, hierher zu kommen. –

Ich habe mich noch gegen den Vorwurf || zu rechtfertigen, der Ihnen geleistet werden könnte, daß ich Ihre Berufung nicht gleichzeitig mit der des Prof. Gegenbaur abgehen ließ, sondern auch mich beschränkte nach seinen Wünschen zu fragen. –

Das geschah einfach, weil ich die Maxime befolgen mußte, von dem ersten Punkte des gewonnenen Anatomen aus, den Vertreter der Zoologie und vergleichenden Anatomie zu berufen. Solange der Anatom schwankte, glaubte ich mich nicht engagiren zu dürfen. Ich hatte bereits erfahren, wie oft eine Annahme bedingt wird, von einer gleichzeitigen andern Berufung, als daß ich nicht diese Entsagung üben mußte, zudem ich wußte, daß es fast gewiß war, daß jeder Anatom von Bedeutung, Sie auch ausdrücklich verlangen würde –. In Straßburg || that das nun außer ihm noch die ganze medicinische Facultät, und gewiß auch die naturwissenschaftliche, wenn dieselbe nicht durch die fortgesetzten Ablehnungen noch bedenklich zauderte,

Danach mögen Sie ermessen, wie ich die Sachlage beklage, die ohne Verschuldung sich ergeben hat – ich verschmerze sie nie.

Für Ihre freundlichen Notizen sage ich meinen besten Dank.

Ich für meinen Theil bin entschieden für Schmidt. Professor Waldeyer, der Anatom für Straßburg, neigt zu Ehlers –. Ich kann nur einen Zoologen brauchen der auf den Wahrheiten der neuesten Forschung feststeht, wie weit auch die Consequenzen gehen.

Halten Sie Ehlers, den Sie bisher nicht nannten, für tauglich für diese neu zu gründende Schule hier? Sonst könnte ich Waldeyers Ansicht nicht beitreten und bliebe bei Oscar Schmidt.

Mit ausgezeichneter Hochachtung

Ihr ergebenster

Roggenbach

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
03.02.1872
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 20295
ID
20295