Rottenburg, Paul von

Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Dalnair, 16. Juni 1912

DALNAIR

DRYMEN

STIRLINGSHIRE N.B.

Dalnair, 16 Juni

1912

Liebster Freund!

Heute früh wieder nach Hause gekommen, bitte ich Dich und Schwester Röschen meinen verspäteten Dank für den entzückenden Tag gestern vor 8 Tagen entschuldigen zu wollen! Aber in Berlin ist bei 99 Verwandten und 101 Freunden nur zwei Tagen Aufenthalt nicht zum Schreiben zu kommen. Ebenso wenig in London wenn man Geschäftsconferenzen mit Franzosen und Schotten hat.

Heute vor 8 Tagen kutschirte ich auf einem Schweinewagen vom Fürstenhof nach dem Saal Bahnhof. – Du Ungläubiger der Dua an die spontane Vermehrung von Kügelchen, nicht aber an die Heilkraft erprobter homoeopathischer Mediziner glaubst wirst es ebenso wenig verstehen oder zugeben, daß das deutsche Schweine Cotelett am Samstag Abend auf dem Forst – heute in mein Leben einschneidend ein-||gegriffen hat. Ohne das Schwein auf dem Forsthause wäre nicht ein freundliches Schweinefuhrwerk b am Sonntag Morgen am Fürstenhof vorbeigefahren und hätte mir angeboten mich zur Bahn zu nehmen. Ich wäre also sitzen geblieben. – Geistig steht Jena ja oben an – aber in Promptitüde des Verkehrs steht es hinter Berlin zurück. Ich hatte Samstag Abend Droschke bestellt für Sonntag Morgen – aber weder Droschke kam noch auch die Elektrische auf die mich der Portier vertröstete. Am Samstag behaupteten die Leute im Hotel ein D-Zug gehe 6.34 nach Berlin. Im letzten Augenblick wurde mir gesagt der D-Zug ginge nicht vor 7 Juli ab und hätte ich den abgewartet in Jena würde ich Dir in derartiger alloeopathischer Dosis unbekömmlich geworden. – In Berlin angekommen, fand ich ein Telegramm aus Terschelling || in Holland vor mit der Nachricht daß das 1ste Goldstück aus der „Lutine“ geborgen sei. – Wieder das Jenenser „Schwein“. – Die „Lutine“ sank 1801 mit £ Sterling 1.200.000 bei Terschelling. – £ 50.000 wurden vor 50 Jahren gehoben. – Jetzt versuchen wir den Rest zu heben. – Und das Jenenser Schwein wird dafür sorgen daß wir reüssiren. –

Also 1 guter Rollstuhl kann schon darauf stehen und Du brauchst Dich nicht zu geniren ihn anzunehmen. –

Ich ließ mir am Montag die beste Adresse aufgeben und suchte das Richtige aus. Für etwaigen Regen wird ein Schirm angebracht und um Dir den Stuhl möglichst zugänglich zu machen bestellte ich eine leichte Remise zum Verschließen denn den Stuhl in den Hausflur tragen wäre beschwerlich und er wäre im Wege. – ||

Du solltest ihn nächste Woche erhalten und ich hoffe von Dir später zu hören daß Du ihn regelmäßig benutzen thust. Ich glaube Du würdest mit 1 Krücke und 1 Stock sicherer gehen. Frage Professor Riedel. Zwischen Berlin und London erging ich mich am Mittwoch mit einem Neffen in Amsterdam und Den Haag in Bewunderung von Rembrandt Rubens etc. welche meinem Neffen neu waren. –

Wetter sehr acceptabel. Dalnair sieht im Blüthenschmuck entzückend aus. –

Hätte ich Dichc auch hier – viele herzliche Grüße an Schwester Röschen und wer noch von Haeckel und Meyer dort ist. Es war herzerquickend eine so entzückende neue Generation wie Dein Großkind zu sehen.

Dein alter

Paul Rottenburg

a eingef.: Du b irrtüml. doppelt: am Fürstenhof; c eingef.: Dich

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
16.06.1912
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 20155
ID
20155