Paul Rottenburg an Ernst Haeckel, Glasgow, 14. Oktober 1908
Glasgow
14 Oct. 1908
Liebster Freund!
Herzlichsten Dank für Brief vom 10ten – erst heute früh auf dem Lande erhalten. Bitte adressieren einfach Glasgow (ohne Wohnungs Angabe) dann erhalte ich die Briefe schneller. Ich wünschte ich hätte mit den herrlichen Tagen in der Schweiz abgeschlossen und mich in Milano verbrennen laßen – statt ein 3 tägiges Sedan in London zu erleben. Meine Fabrikanten ergriffen das Hasenpanier und ließen mich jämmerlich im Stich. Dazu eine afrikanische || Hitze – so das ich halbtodt nach Hause kam und diese Misere mich noch in meinen Träumen verfolgt. – Ich war ein Narr mich nicht vor so & so viel Jahren nach Jena zurückzuziehen – heute ist es zu spät – es muss weiter gefochten werden. Die Continentalen imitiren America und gehen wie Dampfwalzen voran. Anstand Rücksicht sind nur noch im Wörterbuch zu finden.
Ich gehe morgen Nacht nach London und Sonnabend früh nach Coeln (Dom Hotel) habe allda Sitzung wahrscheinlich || bis Dienstag Abend u. gehe dann voraussichtlich auf 2 Tage nach Berlin. Wie wär’s ‒ Du kommst mit Deinem Tüll Anzug nach Berlin (Hotel Adlon) und wir verleben einen netten Abend mit Frl.? auch in Tüll. – Es würde mir neuen Lebensmuth einflößen. – Eine Karte nach Coeln (Dom Hotel).
Mailand war unerquicklich Genua schön wie immer – div. Male bei Brown vor – schade. Paris nach Geschäft Theater allwo ich Dich u. Heinrich hätte hinzaubern wollen. – || London Schwamm drüber –
Zuhause soweit Alles wohl nur muß meine Jüngste den Winter fort – Assuan. – Natürlich gehen beide Mädchen und die beiden Alten sitzen allein Daheim.
Die Politik geht Einem an die Nieren. –
Froh kann man seines Lebens nicht mehr werden. Wenn Europa so weiter wirthschaftet dann sitzen die Chinesen bald in Berlin Wien u. s. w.
viele herzliche Grüße von Haus zu Haus
Dein
Paul Rottenburg