Verworn, Max

Max Verworn an Ernst Haeckel, an Bord der „Bayern“, 14. März 1891

An Bord d. „Bayern“

14.III.91.

Sehr verehrter Herr Professor!

In Suez bekam ich die Anzeige von der Verlobung Ihrer Tochter. Leider hatte ich in Suez keine Zeit mehr, Ihnen zu schreiben und beeile mich nun vor unserer Ankunft in Genua Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin sowie Ihrem Fräulein Tochter meine herzlichsten Glückwünsche zu dem frohen und unerwarteten Ereignis zu senden.

Ende Februar bin ich nach Abschluss meiner Arbeiten von Tor mit Kamelen || nach Suez gegangen, wo ich nach einer 6 tägigen Reise unter den grössten Anstrengungen und Entbehrungen ankam. Das Wetter war grässlich und da wir keine Zelte mit uns hatten mussten wir bei schneidendem Nordwind, unter strömenden Regen nachts auf platter Erde schlafen. Da in Suez mein Schiff erst in 7 Tagen abging, so fuhr ich inzwischen nach Kairo und habe so auch noch einen flüchtigen Eindruck vom orientalischen Grossstadtleben bekommen. Jetzt bin ich auf der Heimreise begriffen und werde nach kurzem Aufenthalt in England und Holland ungefähr am 15tn oder 20tn April wieder in Jena eintreffen.

Eben fährt unser Schiff bei Neapel vorbei, || Capri, Ischia, Capo Miseno treten aus dem Nebel hervor und wehmüthig schleicht sich die Erinnerung an die schöne Zeit meines Aufenthaltes dort durch mein Herz, eine Erinnerung, die die schönsten, farbenprächtigsten und interessantesten Eindrücke des Orients nicht abzustumpfen vermögen.

Mit meinen Arbeiten in Tor bin ich zufrieden. Ich habe meine Protoplasma- und Zellstudien an äusserst geeigneten Objecten fortgesetzt und habe nun eine Menge Material zusammen, das ich in der nächsten Zeit in Jena in Ruhe verarbeiten muss. In der Einsamkeit der Wüste ist in mir der Plan zu einer grösseren Zellphysiologischen Arbeit gereift, oder hat vielmehr festere || Gestalt genommen, zu einer Arbeit, die ich falls mir nicht jemand zuvorkommt, in den nächsten Jahren zum Abschluss zu bringen hoffe. Mit meiner Gesundheit bin ich während meiner ganzen Reise trotz vieler Strapazen und Gefahren in ungesunder Gegend sehr zufrieden gewesen. Ich habe während des ganzen Jahres nicht ein einziges Mal auch nur über das kleinste Unwohlsein zu klagen gehabt und kehre jetzt im Gefühle strotzender Gesundheit nach Hause zurück. Allerdings wird ein tüchtiger Kartarrh bei dem plötzlichen Temperatur- und Klimawechsel wohl nicht ausbleiben. Wenn mich Biedermann haben will, trete ich zu Ostern bei ihm als Assistent an und hoffe mich dann sobald es irgend möglich ist, in der medizinischen Fakultät zu habilitieren.

Indem ich mich auf ein baldiges Wiedersehen freue bleibe ich mit vielen herzlichen Grüssen immer

Ihr treuer Max Verworn.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
14.03.1891
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 17385
ID
17385