Verworn, Max

Max Verworn an Ernst Haeckel, Jena, 28. Februar 1890

Jena, 28.II.90.

Sehr geehrter Herr Professor!

Endlich kann ich Ihnen mitteilen, dass

„die betrübende

heilsam und übende

Prüfung bestanden“ ist.

Mein Examen ist glücklich fertig, nachdem noch die letzten Schwierigkeiten überwunden sind. Nun arbeite ich nur noch, was mir gefällt und mache kein Examen mehr. In der nächsten Woche fahre ich nach Berlin, das ich nun schon 1½ Jahre lang nicht gesehen habe, um dann die Osterfeiertage noch mit || meiner Familie in Cassel zu verleben.

Mitte April gedenke ich von Jena aufzubrechen, zunächst nach München und von hier über Innsbruck, Bozen, die oberitalienischen Seen nach Villafranca. Wie sehr ich mich auf die Reise freue, besonders jetzt nach bestandenem Examen, werden Sie sich in der Erinnerung an die entsprechende Zeit Ihres Lebens sicherlich vorstellen können. Ich wünschte nur, ich hätte noch Jemand, der mit mir reiste, da ich so sehr an den Verkehr und an das Aussprechen mit anderen gewöhnt bin. Ich glaube daher, dass ich || Jemand, der dieselben Ziele verfolgt und dieselben Ideen hat wie ich, auf die Dauer sehr entbehren werde, doch hoffe ich, dass ich wenigstens an den Orten, an denen ich längere Zeit verweile, eine solche theilnehmende Seele finden werde.

Dass der arme Walter nun doch seinem Leiden erlegen ist haben Sie jedenfalls schon gehört. Wie die Section ergab war von Malaria bei ihm keine Rede, vielmehr bestand eine bereits ausgeheilte sowie eine ganz frische Lungentuberkulose. Die unmittelbare Veranlassung zu seinem Tode war wohl ein ca. Apfelgrosser Gehirn- || abscess. Vor 8 Tagen erwiesen wir ihm die letzte Ehre.

Augenblicklich kursieren, wie immer zu Ende des Semesters zahlreiche Gerüchte über bedeutende Veränderungen an der Universität. Rossbach soll, wie es heisst sich ganz zurückziehen wollen, Vierordt soll nach Heidelberg berufen werden und schließlich, was mir am wenigsten angenehm wäre, soll es nicht ausgeschlossen sein, dass Biedermann wieder nach Österreich berufen wird, wo durch den Abgang Brückes bedeutende Verschiebungen in der Besetzung der Physiologie-Professuren in Aussicht stehen.

Doch nun keinen Klatsch mehr. Ich wünsche Ihnen noch einen weiteren glücklichen und noch recht erfolgreichen Verlauf Ihrer Reise und bleibe Ihnen nochmals herzlichst für das Stipendium dankend Ihr treuer Schüler

Max Verworn.

Wehlheiden b./Cassel, Germaniastr. 61.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
28.02.1890
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 17377
ID
17377