Adolph La Valette St. George an Ernst Haeckel, Schliersee, 2.9.1856
Schliersee im bairischen Hochgebirge
den 2ten September 56.
Lieber Ernst!
Da ich mein Reiseziel gerne bestimmt feststellen möchte und womöglich dasselbe mit einem lieben Freunde theilen, so erlaube ich mir ein paar Fragen an Dich zu richten, deren gütiger Beantwortung ich wohl bald entgegensehen darf. Zuerst möchte ich wissen, welchen Weg Du zu nehmen gesonnen bist, ob wir uns unterwegs treffen können, und um welche Zeit ungefähr Du in Nizza zu sein gedenkst. Dann auch ob wir Prof. Kölliker und Müller bestimmt dort treffen werden. Ich würde demnächst mich noch etwa 14 Tage bis drei Wochen im Gebirge aufhalten und dann || über Finstermünz Comersee, Mailand Turin, Nizza reisen. Ueber den Rückweg habe ich noch nichts Bestimmtes beschlossen. Nun ein paar Worte über meine jetzigen Aufenthalt. Hier in Schliersee ist ein ganzes Professorencollegium versammelt. Leydig Siebold Pfaff Thiersch jun Eisenlohr Jolly etc. um dem Staub der Hörsäle auf der Alm auszupusten. Siebold ist auf ein paar Tage von hier abwesend, Leydig sitzt den ganzen Tag hinterm Mikroskop. Auch ich habe das meinige gestern ausgepackt um den Encephal. Polym. v. Baer zu untersuchen, der sich hier in der Anodonta anat. findet. Morgen früh werde ich nach Rosenheim abreisen und von da nach Reichenhall wo || ich 8 oder 14 Tage bleiben werde. Dorthin bitte ich Deinen Brief zu richten poste-restant.
Ich muß jetzt schließen lieber Ernst da ich noch nach Hause schreiben will. In der Hoffnung in Reichenhall ein paar Zeilen von Dir zu finden grüßt Dich herzlich
Dein
LaValette