Schultze, Fritz

Fritz Schultze an Ernst Haeckel, Dresden-Plauen, 17. April 1894

Dresden-Plauen, Reisewitzerstr. 35.

17.IV.94.

Hochverehrter Herr Geh. Hofrath!

Die Einwirkungen, welche ich von Ihnen in Jena erhalten habe, sind mir unvergesslich und dauern bis heute fort. Jeder junge Mann kann es als ein großes Lebensglück betrachten, eine Zeit lang unter Ihrem Einflusse gestanden zu haben. Das ist || eine der hauptsächlichsten Gründe, weshalb ich einem jungen Manne, Namens Oswald Weidenbach, der hier zu Ostern seine Reifeprüfung am Kreuzgymnasium vorzüglich bestanden hat, geraten habe, in Jena zu studieren. Angeregt durch die öffentlichen philosophischen Vorträge, die ich hier allwinterlich zu halten pflege, und von denen er einen Teil gehört hat, will || er sich dem Studium der Philosophie widmen. Sein Vater, Dr. Weidenbach, einer meiner Freunde, ist Gymnasialoberlehrer, ein Mann von weitem Horizonte, das Gegenteil jeder Engherzigkeit; seine Mutter ist eine reiche Erbin, er das einzige Kind. So kann er sich, nicht eingeengt durch irgend welche äußeren Umstände, mit Muße seinem Studium hingeben. Der junge || Mann ist eine durchaus ideal angelegte Natur, ein tüchtiger, strebsamer Charakter. Ich habe ihm einen Studienplan entworfen, in welchem Philosophie und Naturwissenschaft sich die Hand reichen. Er mag Ihnen denselben zur Prüfung und Ergänzung vorlegen. Jedenfalls soll er möglichst viel bei Ihnen hören. Dürfte ich nun den Jüngling Ihrem persönlichen || Wohlwollen ganz besonders empfehlen? Ich hoffe, es soll etwas Tüchtiges aus ihm werden; er hat das Zeug dazu, sowenig Sie vielleicht bei einer ersten Begegnung aus seiner Schüchternheit sein wahres Wesen werden herauserkennen können. Es würde mir und ebenso den Eltern zu ganz besonderer Befriedigung gereichen, wenn Sie ihm gelegentlich || mit Ihrem Rate zur Hand gingen. Im voraus meinen herzlichsten Dank dafür! Lebhaft habe ich bedauert, daß es meine Zeit nicht zuläßt, mich an ihrem neulichen Jubelfeste persönlich zu beteiligen. In der Hoffnung, daß es Ihnen und Ihrer werten Familie gut geht (ich kann von mir und den meinigen dasselbe sagen), || bleibe ich unter herzlichen Grüßen in alter, ungeschwächter Verehrung

Ihr ergebener

Fritz Schultze.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
17.04.1894
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16727
ID
16727