Schulze, Franz Eilhard

Franz Eilhard Schulze an Ernst Haeckel, Berlin, 23. März 1900

BERLIN N., INVALIDENSTR. 43.

d. 23.3.1900.

Hochverehrter Freund!

Unter den zahlreichen Glückwünschen, durch welche ich gestern erfreut wurde, nimmt der von Ihnen freundlich gesandte eine besondere und hervorragende Stelle ein, einmal weil ich Sie, seit ich Sie kenne, persönlich hochschätze, dann aber auch, weil Sie auf meinen Entwicklungs- und Studiengang einen sehr wesentlichen, || in gewisser Hinsicht bestimmenden Einfluß geübt haben, und zwar besonders durch Ihre „Generelle Morphologie“, welcher ich als junger Anatom mehrmals mit Eifer und Begeisterung durchstudiert habe. Ich kann Sie also, trotzdem ich nicht das Glück hatte, direkt Ihrem Unterricht zu genießen, in weiteren Sinne meinen Lehrer nennen, welchen ich neben meinen direkten Lehrern, Max Schultze, Bergmann und Stannius, voll Dankbarkeit || hoch zu verehren nie aufhören werde. Ich bin auch überzeugt, daß wir, wenn auch keineswegs in allen Einzelheit, so doch in den Grundzügen unserer Weltauffassung stets harmonieren werden.

Es würde mich sehr freuen, Sie wieder einmal in meinem Institute begrüßen und herumführen zu können. Chun hat mir die Spongien der Valdivia-Expedition zur Bearbeitung resp. Verteilung anvertraut. Es sind sehr merkwürdige Dinge darunter, außer den eigenthümlichen großen Hexactinelliden, von welchen Sie || schon gehört werden, auch einige Stücke welche Sie wahrscheinlich zu Ihrer Gattung Psammina stellen würden, welche ich aber nach einer vorläufigen Untersuchung für einen Foraminiferen-ähnlichen Organismus halten muß.

Einstweilen bin ich noch mit dem Hexactinelliden-Materiale beschäftigt, welche von der Österreichischen Pola-Expedition stammt. Darunter ist eine Sympagella nux aus dem Mittelmeere, und einige Dictyoninen aus dem Roten Meere. Da ich eine Hexactinelliden-Monographie plane, so kommt es mir darauf an, in den nächsten Jahren recht viele Formen durchzuarbeiten. Hoffentlich reicht meine mir zugemessenen Lebenszeit dazu noch aus! Zum Schlusse noch meinen besten Dank und die herzliche Bitte, daß Sie mir Ihre Freundschaft bewahren.

Der Ihre

F. E. Schulze.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
23.03.1900
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16708
ID
16708