Weiß, Luise

Luise Weiß an Carl Gottlob Haeckel, Berlin, 5. August 1864

Berlin den 5. Aug. 64.

Mein guter lieber Haeckel!

Die gestern erhaltene Trauer Nachricht hat mich tief ergriffen, das können Sie wohl denken! Dieser arme Mann ist ähnlich hart getroffen wie unser armer Ernst! ob das Kindchen ihm ein Trost ist? Hoffentlich! wenigstens künftig hin.

Ich habe an Ernst geschrieben; und will daher über diesen Trauerfall in diesen Zeilen nicht viel mehr darüber sagen, so sehr er auch meine Gedanken fortwährend beschäftigt. – Zunächst will ich Ihnen danken für Ihren lieben Brief nach Misdroy, der mich sehr erfreute; bis auf Ihre Klagen über Altwerden und einige andre Beschwerden; da kann ich aber jetzt das vollkommne Echo sagen, denn seit einiger Zeit geht es reissend schnell mit mir bergab und Muth und Kräfte verlassen mich oft gänzlich, und mein Alleinstehen wird mir oft fast zu schwer zu tragen, und doch muß ich allein seyn. ||

Wenn’s Ihnen recht ist, erzähle ich Ihnen noch Einiges von unsrem Aufenthalte in Misdroy. Zunächst nichts Gutes. An dem Tage wo ich meinen Brief an Sie zur Post trug, hatte ich schon Schmerzen im rechten Arm, wohl gichtisch entzündet; dies wurde in den nächsten Tagen schlimmer und ich habe sehr heftige Schmerzen ausgestanden, namentlich in der Hand; war unfähig was zu thun und konnte mich nicht selbst bedienen u. s. w. Nun, zur Hülfe hatte ich nun wohl meine guten beiden Kinder; aber nichts arbeiten – nicht schreiben zu können und in der Stube zu stecken, ist hart, wenn man Alles Anders gehofft hatte. Dies dauerte fast 14 Tage; allein auch nachher habe ich mich kaum wohl gefühlt und bin auch jetzt und fortwährend nicht so recht und vor Allen so muthlos, trübe und kraftlos. Noch zu Pinders zu reisen, habe ich ganz aufgegeben; da müsste mir besser zu Muthe seyn! Höchstens noch nach Schkeuditz aber erst später dann. Sonst verlief unser Seebade Aufenthalt sehr gut; Anna und Elli badeten mit Wonne und Lust, und sind sehr wohl und kräftig zurückgekommen. ||

Heute vor 8 Tagen reissten wir von Misdroy ab und zwar nach Swinemünde; fuhren um Mittag nach Heringsdorf – besuchten Helene Haustein (Ehrenbergs Tochter) und tranken bei Frau Helene Jacobi Caffee, und zwar – auf der alten wohlbekannten Veranda die nicht vermiethet ist (leider!) In Swinemünde übernachtet, und am Sonnabend d. 30. über Stettin nach Hause.

Von hier wüsste ich nichts zu erzählen; als dass ich unsern Freund Barth nicht mehr traf, der war schon am Donnerstag abgereisst; zunächst, wie ich von Beyrichs hörte, in’s Salzburg’sche, dann nach Italien und zum 14. Sept. wollte er zur Versammlung der Geologen und Geographen in Bath, in England seyn, wohin er wiederholt eingeladen war, von Murchison und Anderen. Auch Beyrich ist dahin eingeladen von Sir Charles Lyell, wird aber nicht hingehen, sondern blos auf 14 Tage mit Clementine an den Rhein und dann im Harz arbeiten. – Von Luise Lachmann habe ich ein paarmal Briefe gehabt; Anfang Sept. kommt sie zurück; 8 T. früher die Mutter; Gertrud Passow hat in London die Masern gehabt, es scheint, ausgesteckt durch einen Brief der Mutter aus Halberstadt, wo die Kinder sowohl als Arnold P. die Masern hatten.

Seit ich hier bin, bin ich noch kaum aus dem Hause gekommen; aber Frau Professor Braun war bei mir; es steht dort so ziemlich gut; || Professor Braun geht bald mit seiner Tochter Cecilie Mettenius nach Heringsdorf um zu baden; er ist so eben zum Decan der Phil. Facultät gwählt.

Mögen Sie mit Ihrer guten Frau noch einige gute Wochen in Schlesien verleben und dann gern nach Berlin zurückkehren! es sehnt sich sehr nach Ihnen und nach Ihrer Frau

Ihre alte Freundin

L. Weiß.

 

Letter metadata

Verfasser
Datierung
05.08.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16603
ID
16603