Weber, Victor

Victor Weber an Ernst Haeckel, Halle, 26. Juni 1854

Halle den 26/6 54 Abends 10 Uhr

Mein bester Ernst!

Da in diesem Sommer das Wetter eine so bedeutende, in alle Verhältnisse des Lebens so tief eingreifende Rolle zu spielen gewillt ist, werde auch ich ihm den Vorrang zugestehen, veranlaßt durch den soeben in Strömen herabstürzenden Regen, um daran die Bemerkung zu knüpfen, daß es eigentlich sehr gut war, daß keiner in die a Nothwendigkeit versetzt worden ist eine Pfingstreise machen zu müssen, was ich z. B. fast beinahe im Sinn hatte, wenigstens um mir die Roßtrappe mal wieder in Ruhe ansehen zu können. Und was würde bei solchem Fortgange aus der großen Hundstagreise!? Das ist überhaupt ein Punkt über den ich mich noch nicht geeinigt habe; gereist wird, das steht fest, sind die Verhältnisse schlecht, wenigstens nach Thüringen, sind sie gut, ja dann möchte ich in den Harz, möchte aber auch, weil man doch, wenns einmal Geld kostet, wenigstens etwas Neues sehen will, ins Riesengebirge. Ist endlich das Geld im Überfluß vorhanden, dann nimmt München den ersten Platz ein, München u. nochmal München, seit ich von der Industrieausstellung die daselbst stattfinden soll, ist auch diese Idee in mir aufgetaucht, u. sowenig auch Aussichten zu ihrer Verwirklichung vorhanden sind, so spukt sie doch beständig im Kopfe herum u. wohl 100 mal schon habe ich den Weg auf der Karte verfolgt. Von München aus würde dann natürlich Salzburg, der Watzmann && mitgenommen. Na das sind nun just solche fromme Wünsche wie die neulich von den Hannoverschen Ständen ausgesprochenen von wegen die deutsche Flotte und Consorten. Übrigens begreife ich nicht wie so etwas in Hannover vorfallen kann. Was übrigens Politik anlangt, so sind mir darin, wie ich schon neulich andeutete, die Zeitungen entsetzlich langweilig. Das Anziehendste bildet in der Regel das Vermischte, Kunst und andere Nachrichten z. B. vom Kölner Männergesangsverein der wieder seine 600 rhl dem Dom geschenkt hat, der übrigens nächstens fertig wird mit Ausnahme der Thürme, dagegen diese Kriegsschauplatznachrichten: Die Russen sind mit großem Verluste geschlagen worden, verloren 1000 Mann, die Türken nur einen,: Die Türken flohen in größter Unordnung, und ließen 800 Todte zurück die Russen haben 1 Kosaken verloren. Das dreht sich nun schon seit 1 Jahreb um solchen Krempel. Thaten wollen wir sehen namentlich von den Herren Franzosen und Engländern die gleich den Schlachtenmaler mitnehmen um die Großthaten der Nachwelt zu überzeichnen just wie einst Jemand aus Asien der die Ketten mitbrachte für die zu fangenden Griechen. ||

Nun möchte das fast klingen als wenn – doch das ist ferne. Wir haben meiner Ansicht nach Rußland, ebensowenig zu danken als den übrigen Mächten, (es müßte denn seine Verdienste um Unterdrückung des armen Schleswigs sein, was jedenfalls das Wenigste aus dem Jahre 1847 erlangt hat,) höchstens noch die Dienste im Befreiungskriege.

Und was England oder Frankreich anlangt: Malmöer Waffenstillstand. 3 Herrenwirtschaft von Hodges, Tillisch &. in Schleswig. Es war daher wohl das Beste, neutral zu bleiben u. so die Schuldenlast nicht vorzeitig zu vermehren. Die Donaufürstenthümer übrigens mit der Donaumündung gehören blos Österreich und Niemanden anders. − − − −

Unser Verein c hielt diesmal seine Generalversammlung in Jena ab, da er sich jetzt auch über Thüringen erstreckt, ich hatte es mir zwar früher ganz fest vorgenommen mitzurathen u. zu thaten, u. zugleich eine kleine Spritze nach Schwarzburg damit zu verbinden, allein, − nu ja – das Wetter war zu schlecht. Die Zeitschrift erscheint jetzt wieder in Berlin u. kostet (länger wurden seine Ohren) 5½ rhl der Jahrgang während ein Mitglied blos 2½ rhl jährlich beisteuert: der reine Gewinn! Darin habe ich zugleich auch gelesen daß nach Virchow’s Ansichten jeder Mensch seinen Holzstamm im Rücken herumtrage; sonach könnte es doch mit dem Ladestock verschlucken seine Richtigkeit haben. In der gestrigen Sitzung wurde auch ein, freilich noch kleines Blatt der Victoria regia vorgelegt, das 3½ Fuß durchmessen hatte. Es hat sie der hiesige Gärtner Röder der auch noch hofft sie zur Blüthe zu bringen. Ich werde sie nächstens in Auelachen verpflanzen.

Von eingeärndteten [!] botanischen Schätzen habe ich bis jetzt nichts auch gar nichts d mitzutheilen u. [!] Neues zu berichteten. Das Wetter ist an Allem Schuld! Eine Secunde in solchem Regen muß mehre naß machen als ein 3maliges Kielholen. Daß ich neulich eine Spritze nach der Residenz Altenburg gemacht habe (ich wollte mal sehen wie es sich auf der Strecke nach München fahren ließe) u. dabei fast gestorben u. elendiglich geborsten wäre, in Folge verschiedener unmenschlicher hydrostatischer Drucke auf verschiedene thierische Membranen, habe ich Dir wohl schon in dem ersten Briefe gemeldet. Es ist ihm übrigens schon recht warum trinkt er x Töppchen verschiedene Biere u. Tassen Kaffee u. thut nicht Alles zu seiner Zeit u. wenns Noth thät! Wäre ich einen Tag f später nach Leipzig gekommen, hätte ich zugleich eine Guillotinierung mit ansehen können. − − −

Eigentlich bin ich zwar noch nicht fertig mit Schreiben oder wenn Sie lieber wollen, Schnarren, aber die Zeit ist nun doch zu kurz, wenn ich die dargebotenen Gelegenheit benutzen will. Übrigens wirst Du wohl schon genug an dem Blödsinn haben, g ich will Dich daher erst etwas verschnaufen lassen, ehe ich die Fortsetzung folgen lassen werde, bis dahin bin ich Dein allezeit getreuer

VWeber

a gestr.: Stand; b gestr.: n; c gestr.: fran; d gestr.: Neues; e gestr.: f; f gestr.: eher; g gestr.: auch

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.06.1854
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 16215
ID
16215