Fürbringer, Max

Max Fürbringer an Ernst Haeckel, Heidelberg, 25. Mai 1901

Heidelberg, 25.5.01.

Lieber Freund!

Gestatte mir eine an Dich als Mitglied des Redactionscomités der Zoologischen Forschungsreisen gerichtete Mittheilung und Bitte. Das Gleiche habe ich an Herrn Dr. Fischer als Verleger derselben geschrieben.

Aus der Vorrede einer vor kurzem erschienenen Arbeit Geheimrath von Kölliker’s (die Medulla oblongata und die Vierhügelgegend von Ornithorhynchus und Echidna) geht hervor, dass dieser mit Semon’schem, von ihm selbst als kostbar bezeichneten Materiale gearbeitet, das ihm vor 4 Jahren von Herrn Prof. Ziehen mitgetheilt wurde, allerdings unter der Bedingung, seine Untersuchungen daran erst nach Pubikation der Z.‘schen Untersuchungen zu veröffentlichen.

Eine Anfrage meinerseits bei Prof. Semon bestätigt mir, dass Dieser sein Material an die Herren Mitarbeiter nur zum Zwecke der ausschliesslichen Bearbeitung für die Zoologischen Forschungsreisen abgab || und dass somit auch Prof. Ziehen von dem von Semon erhaltenen Untersuchungsmaterial nur nach vorausgegangener Verständigung mit dem Besitzer Semon und nach Veröffentlichung seiner bezüglichen Untersuchungen in den Forschungsreisen hätte abgeben dürfen.

Es liegt somit auf Grund der Semon’schen Mittheilungen eine Incorrektheit des Herrn Prof. Ziehen gegenüber Semon und den Zoologischen Forschungsreisen vor, die zugleich – infolge der weiteren incorrekten zu frühen Veröffentlichung v. Kölliker’s (eine Sache, die uns nicht direkt angeht, sondern nur das Verhältniss Ziehen x v. Kölliker betrifft) – die Zoologischen Forschungsreisen geschädigt hat.

Mir erschien diese Angelegenheit wichtig genug um sie bei Dir und Herrn Dr. Fischer zur Sprache zu bringen, und bat ich diesen, sie mit Dir gemeinschaftlich zu berathen und mir dann freundlich mitzutheilen, was Ihr im vorliegenden Falle zu thun für angezeigt erachtet. Mit Prof. Semon bin ich mit Rücksicht auf die noch zu erwartende Ablieferung zweier weiterer Beiträge Ziehen’s || und auf die zwischen den Betheiligten bestehenden buchhändlerischen und collegialen Beziehungen nicht für ein schroffes Auftreten, glaube aber gleichwohl, das ein völliges Ignoriren des Geschehenen nicht am Platze ist.

Hoffentlich geht es Dir und Deiner lieben Frau recht gut und die Pfingsttage bringen Euch ein recht schönes Wiedersehen mit allen Euren Kindern und Kindeskindern. Wir begrüssen die Ferien nach angestrengter Instituts- und (mit Auswahl betriebener, aber doch auch anstrengender) Durchfressarbeit mit grösster Freude und wollen nach dem Festtagstrubel etwas in die Vogesen gehen.

Herzlichste Grüsse und Wünsche von Haus zu Haus.

Dein

M. Fürbringer.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
25.05.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 1341
ID
1341