Thiele, Johannes

Johannes Thiele an Ernst Haeckel, Berlin, 26. Mai 1889

Berlin, N. W., Wilsnackerstr. 45,

den 26 Mai 1889.

Sehr geehrter Herr!

Wie ich gehoert habe, wird Ihr gegenwaertiger Assistent in einiger Zeit seine Stellung verlassen. Da ich sehr gern eine Assistentenstelle annehmen moechte, so erlaube ich mir die Anfrage, ob ich darauf rechnen koennte, die am dortigen zoolog. Institut zu erhalten.

Gleichzeitig hege ich den Wunsch, mich als Privatdocent fuer Zoologie zu habilitiren. Da ich fuer phylogenetische Arbeiten eine Vorliebe habe, so wuerde ich erklaerlicherweise Jena mancher anderen Universitaet vorziehen, zumal da fast ueberall unser Fach bereits mehr als reichlich durch Privatdocenten vertreten ist.

Eine Habilitationsschrift „ueber Sinnesorgane der Seitenlinie und das Nervensystem von Mollusken“ habe ich vollendet. Ich habe hauptsaechlich in Berlin studirt und im hiesigen zool. Institut bei Herrn Prof. Schulze gearbeitet, einen Winter || habe ich in Neapel zugebracht. Meine frueheren Arbeiten erlaube ich mir, Ihnen beifolgend zu uebersenden. Meistentheils habe ich mich mit dem Studium der Molluskenanatomie beschaeftigt.

Da mir sehr viel daran liegt, eine Assistenstelle zu erhalten, und da hier in Berlin voraussichtlich in den naechsten Jahren eine solche nicht frei werden wird, so wuerde ich auf die Aussicht hin, bald die in Jena zu erhalten, im Herbste dorthin uebersiedeln, um vorlaeufig als Privatdocent thaetig zu sein.

Mit der groessten Hochachtung zeichne ergebenst

Johannes Thiele

Dr. phil.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.05.1889
Entstehungsort
Entstehungsland
Zielort
Jena
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 13115
ID
13115