Carl Heinrich Thiele an Ernst Haeckel, Solln, 9. Oktober 1915
Solln 9. October 1915
Hochverehrter Meister!
Zunächst herzlichsten Dank für die freundliche Aufnahme meiner Tochter und die uns durch sie gütigst übermittelten Grüße. Wir freuten uns aufrichtig zu hören, daß es Ihnen verhältnismäßig gut gehe. Wie gern hätte auch ich mich einmal wieder mit Ihnen unterhalten und – versucht Sie, hochverehrter Meister, ein ganz klein wenig umzustimmen, wenigstens Ihren – wirklich unbegründeten – Haß gegen England etwas zu || mildern. Mein eingehendes Studium der deutschen und englischen Politik vor dem Kriege und bei Ausbruch desselben hat mich zu der festen Ueberzeugung gebracht, daß England stets ehrlich den Frieden wollte. Nur unsre Hetzpresse und die Alldeutschen haben das deutsche Volk darüber sträflich getäuscht. Es wird später alles herauskommen. – Gleichzeitig übersende ich Ihnen einen völlig unparteiischen Brief einer Deutsch-Schweizerin über ihre Eindrücke in England mit der Bitte um gütige Weitergabe. Seien Sie, hochverehrter Meister, bald Führer und Rufer zum – Frieden!
In steter Treue und Verehrung
Ihr gehorsamer Schüler
CH. Thiele