Eduard Strasburger an Ernst Haeckel, Berlin, 20. Dezember 1902
Berlin d 20 Dec 1903
(Berlin W. 15, Meineckestr. 25, bei Stabsarzt Tobold)
Mein alter lieber Freund!
In meinem vereinsamten Hause in Bonn darf ich die Kinder zu Weihnachten nicht versammeln. Das weckt zu viel schwere und traurige Erinnerung. Also komme ich, so im Vorjahr wie auch jetzt, zu meinen Kindern nach Berlin und suche im Anblick der Enkelkinder nur an || die Zukunft zu denken. Eine grosse Freude war es mir Nachricht von Dir aus Rapallo zu erhalten. Fast möchte ich, in dem kalten nordischen Nebel, Dich um die Sonne des Südens beneiden – doch Dir auch gönne ich von Herzen sonnige Tage! Gleichzeitig sende ich Dir die zweite Auflage meiner Streifzüge und gebe mich der Hoffnung hin dass ich Dir damit || eine kleine Weihnachtsfreude bereiten kann. Ob ich im Frühjahr nach dem Süden reisen kann, ist noch fraglich, da Familienangelegenheiten möglicherweise meine Anwesenheit in Warschau verlangen werden. Es würde freilich sehr verlockend sein, mit Dir am Mittelmeer, das wir beide so innig lieben, zusammenzutreffen! So weit ich Deine Neigun-||gen kenne, rathe ich Dir den Aufenthalt an der Ponente in Mentone zu wählen und zwar in Garavan. In Antibes Stadt kann man nicht verkehren, das Grand Hôtel de Cap ist aber im letzten Herbst luxurioes umgebaut worden und ich weiss nicht, ob Du den Wunsch haben wirst, hohe Pensionspreise zu zahlen. Sonst ist es ja dort herrlich.
Deiner lieben Frau sende ich die herzlichsten Grüsse und drücke Dir in alter Freundschaft die Hand
Dein E. Strasburger