Strasburger, Eduard

Eduard Strasburger an Ernst Haeckel, Bonn, 27. Juli 1882

Bonn d. 27. Jul .1882.

Theurer Freund,

morgen soll ich meine Vorlesungen beginnen und hoffe dass sich auch die nöthigen Zuhörer hierzu einfinden. Inzwischen suchte ich mein Institut und Auditorium so gut es ging einzurichten. Es hat sich das auch ganz passabel machen lassen. Hingegen ist unsere Wohnung immer noch nicht fertig und werden mindestens 14 Tage vergehen || bis wir endlich einziehen können. Ich hätte mich provisorisch einrichten können, zog es aber wahrscheinlich doch vor, gleich die definitiven Aenderungen zu treffen. Diese Aenderungen beruhen hauptsächlich darauf, dass ich den ursprünglichen Zustand wieder herstelle. Ich beseitige das Alles was Hanstein hat machen lassen und habe bei intensiver Beschäftigung im Institut, drei Wochen zugebracht. Leider fehlen die Mittel um auch die Mehrzahl || der Mikroskope durch andere zu ersetzen, Hanstein hatte nämlich eine Vorliebe für Stative mit Einstellungen am Objekttisch und schaffte bis in die letzte Zeit hinein solche an. Ich kenne nun auch schon die meisten Collegen; ich bin überall sehr freundlich aufgenommen worden, mache mir aber kein Hehl daraus, dass diese Freundlichkeit zunächst nur eine Zahlung a conto ist. Wird es mir gelingen hier eine angenehme Stellung unter Collegen zu gewinnen? Ich hoffe es! Kann aber eine gewisse unangenehme Empfindung der Unsicherheit bis jetzt nicht ganz überwinden. Ich habe von jeher Nei-||gung gehabt, scharfe Kritik an mir selbst zu üben, aber seit langer Zeit nicht mehr, wurden mir die Lücken in meinem Wissen so fühlbar, als in eben diesem Augenblick. Eine ähnliche Gemüthsstimmung machte ich bei meinem Debut in Jena durch. Sie hat ja wohl das Gute dass sie einen anregt die Lücken auszufüllen. Das behagliche Gefühl der Ruhe das ich in Jena zuletzt empfand werde ich wohl wieder erst nach Jahren zurückgewinnen. Sonst gefällt es mir ja hier sehr gut – hätte ich hier auch nur meine jenenser Freunde. Wie gefällt sich mein Nachfolger in Jena? Wie geht es Dir und Deiner lieben Frau?

Lasse recht bald von Dir hören und sei Du und Deine Frau herzlich von uns beiden gegrüsst.

Dein E. Strasburger

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
27.07.1882
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 12734
ID
12734