Hold, Alexander Freiherr von

Alexander Freiherr von Hold an Ernst Haeckel, Wien, 1. Mai 1900

Wien, den 5. Mai, 1900.

Hochverehrter Herr Professor!

Die Stelle in „Die Welträthsel“: „Ich wurde durch zahlreiche zustimmende Briefe belohnt“ läßt mich wagen zu hoffen, daß einige Zeilen, die mir die Ehrfurcht u. Liebe zu dem großen Forscher u. Verfechter der Wahrheit in die Feder dictiren, nicht als Aufdringlichkeit und Belästigung empfunden werden.

Es drängt mich, dem Verfasser der „Welträthsel“ eine kleine freudige Zurede zu bringen. ||

Der Tadel der Juristen im 1. Capitel, „Unsere Rechtspflege“: „Den meisten Studierenden der Jurisprudenz fällt es gar nicht ein, Anthropologie, Psychologie und Entwickelungsgeschichte zu treiben“, erscheint zwar – ich muß dies als Jurist zu meinem großen Leide gestehen – nicht ungerechtfertigt.

Doch kann ich nicht umhin, Ihnen, hochverehrter Herr Professor, mitzutheilen, daß die jüngere Juristengeneration, sofern die einzelnen nicht reine Brotjuristen sind, || zu der Erkenntnis gelangt ist, daß ohne naturwissenschaftliche Studien die Jurisprudenz nicht betrieben und auf eine höhere, den Bedürfnissen des Lebens dienende Stufe der Ausbildung nicht gehoben werden kann.

Wie bedeutungsvoll, ja unentbehrlich die Psychologie u. Anthropologie für den Juristen ist, zeigen ja die Ungeheuerlichkeiten, die in criminalistischen Lehrbüchern über Willensfreiheit u. Verantwortung vorgetragen werden.

Wenn nunmehr in die Kreise der || Juristen das Studium der Naturwissenschaften Eingang fand, so ist dies die Frucht jener herrlichen Werke, der natürlichen Schöpfungsgeschichte, der Anthropogenie u. der Welträthsel, die ich mit wahrer Ergriffenheit studiert habe, und die auf ihrem Siegeslaufe alle Herzen entzünden, die die Kraft u. Liebe zur Wahrheit haben.

Ich sage es offen, daß ich es mir durchaus nicht zum Verdienste anrechne, in meinen Kreisen zur möglichsten Verbreitung dieser Werke und ihrer Lehren beizutragen, sondern, daß mir dies einfach ein Herzensbedürfnis ist, entsprossen aus der Liebe und Dankbarkeit die ich dema erhabenen Schöpfer der Meisterwerke zolle.

Jurist Dr. Alexander Freiherr von Hold.

Wien, VIII. Feldgasse 23.

a eingef. dem

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
05.05.1900
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10967
ID
10967