Carl Bodewig an Ernst Haeckel, Köln, 13. Januar 1900
Sehr geehrter Herr Professor!
Wenn ein Buch dazu dienen soll, eine Revolution in den Anschauungen der ganzen Menschheit hervorzubringen, so muß es sich ganz besonders vor irrigen Behauptungen hüten. Eine solche irrige Behauptung findet sich (Seite 301 oben) in Ihrem Buche „Welträthsel“. Sie sagen dort, daß die Katholiken ihre Heiligen anbeten. Ich bin selbst Naturforscher und stehe seit 37 Jahren auf dem Standpunkte nur die Materie und die an sie gebundenen Kräfte gelten zu lassen, ich kann also nicht in den Verdacht des verkappten Katholizismus gerathen. Ich bin indesssen bis zu meinem 20sten Jahr gläubiger Katholik gewesen und glaube daher das Recht zu haben über || katholische Dinge mitreden zu dürfen. Auch das dümmste katholische Dienstmädchen würde mich auslachen, wenn ich sie früge ob sie die Heiligen anbete. Daß unter den Protestanten eine sehr mangelhafte Kenntniss des Katholizismus vorhanden ist, habe ich zu meinem Erstaunen in meinen langen Universitäts Jahren erfahren müssen. Ich würde auch über die Bemerkung in Ihrem Buche kein Wort verlieren, wenn dieselbe nicht geeignet wäre die Glaubwürdigkeit Ihres Buches auch in aufgeklärten katholischen Kreisen zu vermindern. Wenn der Herr Professor solche Dinge behauptet, deren Gegentheil einem jeden katholischen Kinde bekannt ist, dann muß es wohl mit den naturwissenschaftlichen Gründen auch nicht weit her sein. Eine solche Auffassung liegt nahe und die möchte ich vermieden wissen.
Mit ausgezeichneter Hochachtung
Dr. C. Bodewig
Schildergasse
Cöln 13/1 1900