Murial Harris an Ernst Haeckel, Frankfurt am Main, 4. Dezember 1900
p/a Frau Hohenemser
Leerbachstrasse 48
4 Decbr 1900
Sehr geehrter Herr,
Damit Sie wissen etwas von mir will ich Ihnen sagen dass ich Engländerin von 21 Jahr bin Da ich vor einem Jahr gar kein Deutsch gekonnt habe, bin ich um die Sprache zu lernen nach Deutschland in eine Stellung gekommen. Sobald ich verstehen konnte, habe ich von Ihnen viel gehört, & habe ein bisschen später ihr Buch Die || Welträtsel gelesen. Ich hatte mir vorher schon den Kopf a ziemlich über solchen Sachen zerbrochen, und nun plötzlich ging mir ein Licht auf. Ich lese grade jetzt Ihre „Natürliche Schöpfungsgeschichte“, & kann Ihnen kaum sagen was das für eine Freude für mich ist. Ich habe immer nach Wahrheit gestrebt, und jetzt, obgleich ich fühle dass es nur ein winziges Ringchen ist in der Kette der Ewigkeit, weiss ich dass es wahr ist, & dass man davon weiter gehen kann. ||
Lieber Herr Professor, ich bewundere Sie so, und möchte Ihnen so gern helfen soweit es in meiner Kraft liegt, um ihre grosse Werke zu verbreiten. Wenn ich wieder nach England gehe werde ich meinen Bekannten sagen was Ihr Buch für mich gethan hat, damit es auch dasselbe für sie thut. Könnte ich Ihnen irgend Etwas, – eine Kleinigkeit – übersetzen? Man sagt mir dass mein geschriebenes Englisch gut ist, & ich würde es so vom ganzen Herzen thun. ||
Verzeihen Sie mir meine vielleicht mädchenhafte Schwärmerei, & finden Sie mich nicht frech wenn ich Sie belästige.
Niemand weiss dass ich schreibe.
Mit aller Hochachtung und Dankbarkeit
Muriel Harris
a gestr.: ub