Johannes Benjamin Brennecke an Ernst Haeckel, Magdeburg-Sudenburg, 24. Dezember 1900
Magdeburg-Sudenburg, d. 24.
XII. 1900.
Sehr geehrter Herr Professor
Die Lectüre Ihrer „Welträthsel“ hat eine Fülle widerstreitender Empfindungen in mir wachgerufen. Ich bewundere die Vielseitigkeit ihres Wissens, ich bin erfreut über die wahrheitsmuthige und unerschrockene Art, mit der Sie Ihren Ueberzeugungen Ausdruck geben, ich bedaure dabei die Oberflächlichkeit Ihrer philosophischen Raissonnements und bin erstaunt über die Leichtfertigkeit, mit welcher der Prophet einer neuen „monistischen Religion“ sich über das „Ding an sich“ hinwegzusetzen weiß, ich bin unangenehm und schmerzlich berührt von der Frivolität Ihrer Bemerkungen über Gott, Christus und Christenthum. Als einer, der gleich Ihnen durch „consequentes Denken“ zum Monismus gelangt ist, dabei || aber den allwaltenden Gott und Christus nicht verloren hat, – als einer, dem die in Christo offenbar gewordene Wahrheit und Weisheit in ihrer erhabenen Ruhe unendlich viel höher steht als jede Wissenschaft, – sie blähe sich so viel sie wolle –, – als ein solcher erlaube ich mir Ihnen beifolgende Broschüre auf den Weihnachtstisch zu legen. Sollte Ihnen damit die mindeste Anregung geboten sein, so würde das eine besondere Freude sein
Ihrem
Sie hochschätzenden und
ergebensten
Dr. Brennecke