Kühnel-Engelsberg, Rudolf

Rudolf Kühnel-Engelsberg an Ernst Haeckel, Freudenthal, 9. April 1900

Euer Hochwohlgeboren!

Hochschätzbarster herzensguter Herr Hofrat!

Eine mehr wöchentliche Abwesenheit vom Hause war die Ursache daß es mir heute erst möglich Hochschätzbarsten Herrn Hofrat für das großmüthige und hochherzige Geschenk meinen tief gefühlten Dank zu sagen. Hochschätzbarster lieber guter und angebetet Herr Professor das ist zu viel!!! Zu viel!!! Wie soll ich Ihnen für so viel Güte danken, dieser Gedanke geht den ganzen Tag durch mein armes ratloses Gehirn. Ach lieber Herr Professor wenn sie wißten wie ich sie verehre, ich bewahre || Ihr Andenken wie das eines Heiligen! Sie sind ja mein einziger Herrgott und wenn ich bete, so bete ich zu Ihnen aus Ihren unsterblichen Werken. O, laßen Sie dieses Buch nicht das Letzte sein! Es gibt eben noch so viele Dinge zwischen Himmel und Erde die uns nur Ihr großer unsterblicher Geist erschließen kann. Die „Welträthsel“ lese ich jetzt einen auserlesenen Kreis von Frauen vor die den Monismus ganz zu ihrer Religion gemacht, o, in unserem schwarzen Oesterreich fängt es an Tag zu werden; nur wird uns ehrlichen Freunden der Aufklärung recht bange wenn in Ihrem Deutschland das unser Vorbild und unsere Hoffnung solche Dinge geschehen wie die Lex Heinze es ergab. ||

Daß sich das große Deutschland solche mittelalterliche ultramontane Ränke gefallen läst!! Mein lieber Hochschätzbarster verehrter Herr Hofrat nicht einmal bei uns in Oesterreich darf so was von unseren Klerikalen aufgebracht werden. O, dieses Bayern!!! Ich glaube dort sitzt der Friedensstörer. Wäre doch der große Luther mit den Bauern seinerzeit gegangen wir hätten heute ein einigeres Deutschland, ein Deutschland mit der geistigen Freiheit wie es unser theurer Hutten haben wollte. Wenn ich nur ein paar Worte von Ihrer unsterblichen Feder mein Hochschätzbarster Herr Hofrat über diese so viel commentirte Angelegenheit lesen könnte ich möchte Ihre Meinung dann so gerne meinen Schülern mittheilen. || Nochmals meinen innigsten und tief gefühlten Dank für Ihr so herrliches Geschenk das ich so lange ich lebe wie einen Talisman bewahren werde.

Ich erbitte mir die Gnade meine neueste Claviercomposition „Serenade Française“ Euer Hochwohlgeboren widmen zu dürfen und empfele mich mit dem Ausdrucke innigster Verehrung und Hochachtung

Euer Hochwohlgeboren

unterthänigster Diener

Rudolf Kühnel

Rudolf Kühnel Lehrer in Freudenthal oesterr. Schlesien Bahnhofstr. 9 –

am 9. April 1900. –

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
09.04.1900
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10932
ID
10932