Helene Freifrau von Heldburg an Ernst Haeckel, Veste Heldburg, 12. Juli 1919
Veste Heldburg, 12.7.19.
Mein innig verehrter Herr und Freund!
Dass mein Dank fuer Ihre guetigen Wuensche zu meinem Geburtstage so spaet zu Ihnen kommen, liegt daran, dass ich Ihnen gern selbst und ausfuehrlich auf Ihre Mittheilungen eingehend schreiben wollte und das bisher immer nicht erzwingen konnte. Sie werden leider aus eigener Erfahrung wissen, was es bedeutet, wenn von || einem berichtet wird: Beging das und das Fest „in geistiger und koerperlicher Frische.“ In Bezug auf uns Alte glaube ich nicht mehr daran und habe leidvolles Mitgefuehl mit allen Alten. Ich darf ja, im Vergleiche mit manchen andern, denen es noch schlimmer geht, nicht klagen, aber unter fast nie aussetzenden Schmerzen und mit der Leber zusammenhaengender Hypochondrie, nur noch dem Grame um Verlorenes in dieser Zeit zu leben, allem was man noch wuenschte gegenueber a resi-||gniren zu muessenb, wer moechte sich nicht wuenschen, dass es bald ein Ende habe? –
Ich schreibe Ihnen von der „fraenkischen Leuchte“ die Sie in schoener, goldener Zeit mit Ihrem Besuche verherrlicht haben. Zu einer Reise nach dem Koenigssee reichen meine Kraefte unter den bestehenden Verkehrsschwierigkeiten nicht mehr, da habe ich denn den Herzog Bernhard gebeten, mir einen Aufenthalt auf meiner grossen Pathe zu gestatten. Auch hier ruft mir ja Alles das „Nessum maggiorʼ dolore“ zu, aber es wird || mir, der „Wittwe unseres alten Herzogs“, von der laendlichen Bevoelkerung doch auch viel Anhaenglichkeit bewiesen, die mich fuer ihn freut. – Ich habe meiner treuen Grossherzogin zu Liebe – sie ist fuer einige Wochen mein Gast hier und hat mir verehrungsvolle Gruesse an Sie aufgetragen – mich zu meinem achtzigsten Geburtstage ein letztesmal photographiren lassen und bitte um freundliche Aufnahme der bescheidenen Karte. In herzlicher Verehrung, theurer Herr und Freund, bin ich „ganz unverwend’t bis an’s End‘“ Ihre
H. Heldburg.
a gestr.: gn; b eingef.: zu müssen