Heldburg, Helene Freifrau von

Helene Freifrau von Heldburg an Ernst Haeckel, Villa Carlotta, 16. Juni 1896

Villa Carlotta, 16.6.1896.

Hochverehrter Herr Professor!

Sie haben mich durch Ihr gütiges Gedenken meines Geburtstages herzlich erfreut, obwohl es mir auch leid that, daß Sie die wenigen Stunden, die Sie der Erholung gewidmet hatten, durch Briefschreiben noch verkürzten; mein Dank für Ihre Güte ist durch diese Erwägung ein sehr warm-empfindender geworden! – Wir haben Ihrer und Ihrer Leiden vom vergangenen Sommer in || diesen letzten Wochen oft gedacht: welchʼ entsetzlich harte Geduldsprobe,

von allen Schmerzen und Unbequemlichkeiten ganz abgesehen, haben Sie damals durchmachen müssen! Erst, wenn man Aehnliches selbst erlebt, hat man die wahre Theilnahme dafür. Der Herzog hat beinahe 4 Wochen liegen müssen, und dann kam das Gehen an Krücken, jetzt an Stöcken, und wir wollen zufrieden sein, wenn das Bein nach Monaten wieder ganz leistungsfähig wird. Daß uns dieser Unfall nun auch hindern wird, Sie in diesem Sommer aufzusuchen, beklagen wir besonders lebhaft; die Reise im Lande hat auf dem Sommer 97 verschoben werden müssen. Wir denken am Sonntage die Heimreise anzutreten, wollen dann aber im August noch Gastein aufsuchen, das auch bei stattgehabten Verletzungen in wundervoll heilender und kräftigender Weise wirkt. Wenn doch Ihr Arzt Ihnen || die gleiche Heilquelle zur gleichen Zeit empfehlen wollte! Es wäre gar schön! Wir könnten Ihnen auch einmal etwas Neues erzählen – nämlich von den Untersuchungen und Forschungen des Professors von Schrön in Neapel, die er mit einer anʼs Unglaubliche grenzenden Energie seit 15 Jahren verfolgt, über die Christalle der Bacterien. Er hat dem Herzoge eine Anzahl Photografien, in 4500facher Vergrößerung, dieser || Lebewesen in Aussicht gestellt, die Sie gewiß lebhaft interessiren würden. Lockt Sie das nicht, verehrter und lieber Herr Professor, zu einem gelegentlichen Besuche, wenn der Arzt Sie nicht nach Gastein schickt?! Wir erfreuen uns an dieser Hoffnung! – –

Der Herzog schließt sich meinen herzlichen Grüßen an Sie an und ich bin, „as long as heart and brain have faculty by nature to subsist“ in hoher Verehrung Ihre ganz ergebene

Heldburg.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
16.06.1896
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10354
ID
10354