Georg II., Herzog von Sachsen-Meiningen an Ernst Haeckel, Meiningen, 15. Februar 1904
Meiningen, 15. Febr. 1904
Lieber Häckel!
Nach einem Artikel von Bölsche, den dieser aus Anlaß Ihres Geburtstagʼs im Berliner Tageblatt veröffentlichte, könnte man fürchten, Sie hätten in diesen Tagen Rapallo verlassen, und sich in Gegenden zurückgezogen, wo sie der Postbote nicht finde, ich habe deshalb bei Eg geling angefragt, ob er wisse, wo Sie an Ihrem Wiegenfeste sein würden, und kommt soeben die Antwort: „in Rapallo“. Für den Freund ist es Bedürfniß, dem Geburtstägler, der auf 70 Jahre zurück-||sieht, Glück zu wünschen, wenn Letzterer auch mit Grausen auf den Haufen von Briefen blicken mag, der bei ihm eingeht. Deshalb freue ich mich, daß Sie erreichbar sind.
Morgen beim Erwachen welche Genugthuung muß Sie erfüllen, wenn Sie zurückblicken auf Ihre unvergleichlich große Lebensarbeit. Solcher Rückblick wird nur wenigen Auserwählten zu Theil! Möchten Sie noch eine lange Reihe gesegneter Jahre sich des Geleisteten erfreuen können und durch ungeminderte Geistesstärke und Schaffenskraft in den Stand gesetzt sein, || Ihren eminenten Geisteswerken neue hinzuzufügen. Das wünsche ich Ihnen aus Grund des Herzenʼs.
Meine Frau trägt mir auf, Ihnen ihre herzlichstena Glückwünsche auszusprechen. Darf ich bitten Ihrer Frau Gemahlin mich bestens zu empfehlen und ihr meine Gratulation zu dem morgenden Tage übermitteln zu wollen.
Fast wären wir in 14 Tagen in Ihre Nähe gekommen, nach dem Hotel S. Margherita. Wir haben diesen verlockenden Plan aber aufgegeben, weil die Pensionspreise, die man uns ankreiden wollte, zu hohe waren: 300 Lire pro Tag. So kehren wir wieder nach Cap Martin zurück, wo wir hoffen, den 2ten März einzutreffen. || Mit dem Wunsche, es möge Ihnen fortgesetzt in Rapallo gefallen und Sie sowie Ihre Frau Gemahlin ungetrübten Wohlseinʼs sich erfreuen, bin ich, lieber Häckel, Ihr
Ihnen herzlich ergebener
Georg
a eingef.: herzlichsten