Sachsen-Meiningen, Georg II., Herzog von

Herzog Georg II. von Sachsen-Meiningen an Ernst Haeckel, Villa Carlotta, 19. April 1901

Villa Carlotta | 19. Apr. 1901

Lieber Häckel!

Das war eine rechte Enttäuschung, welche der Kiautschou uns bereitet hat, der anstatt am 17ten April in Genua zu sein, schon am 1sten des Monatʼs dort einpassirte! Wir hatten übrigens auf Anfrage von der Agentur des Norddeutschen Lloyd schon kurza vor Empfang Ihrer lieben Zeilen erfahren, Sie seien Anfang des Monatʼs nach Baden Baden gereist. Daß Sie dort durch Ihr Knieleiden gefesselt sind, ist ja sehr bedauerlich und fühlen wir lebhaft mit Ihnen. 3 Stunden täglich Dampfbäder! Das ist ja entsetzlich! || Hoffentlich aber werden sie nur örtlich angewendet, sonst würden Sie ja zu einem Skelett abgemagert nach Jena kommen. Die Hauptsache ist, daß das Heilverfahren, dem Sie sich unterworfen haben, hilft und das scheint ja der Fall zu sein. Ihre 67 Jahre sind gewiß kein Hinderniß für vollständige Herstellung, war ich doch 70 alt, als mir die Flechse von der Kniescheibe abriß und jetzt bin ich mit meinem Gehvermögen ganz zufrieden.

Der Nachwinter, der in Mittel-Europa herrscht, wird hoffentlich Ihrer Gesundheit nichts anthun. Sie kommen aus so heißen Gegenden, daß Sie in unseren miserabel kalten || Lüften sich eine Bronchitis holen könnten, wenn Sie nicht vorsichtig sind! Daher müssen Sie ein wenig oder besser gehörig aufpassen und das Aufpassen auch noch in Jena fortsetzen bis die warme Jahreszeit gekommen sein wird.

Hoffentlich kehrt die Elasticität des Knieʼs recht bald zurück und gewöhnen Sie sich an das ddeutsche Klima, so daß Sie ohne heiser zu werden, Vorlesungen halten können und hoffentlich haben wir in Bälde uns wieder. Vor der Hand gedenken wir Mitte nächsten Monatʼs nach Gastein auf 3 Wochen zu gehen, ein Bad, das Sie wahrscheinlich auch allernächst kennen lernen dürften, da es für Ihren Fall indicirt ist.

Meine Frau, welcher nach Ueberstehen einer recht starken Influenza esb leider nur || passabel geht, wünscht Ihnen eine recht gute Kur und grüßt Sie aufʼs Herzlichste. Wir haben wirklich Pech mit unseren Plänen, in Italien, (Menton dazu gerechnet,) mit Ihnen zusammenzutreffen – die Vorfreude ist ja aber auch Etwas! Es wäre so schön gewesen, Sie schon hier wiederzusehen, nun werden wir uns bis Altenstein gedulden müssen, vorausgesetzt, daß Sie, wie wir hoffen, vor der Unbequemlichkeit nicht zurückschrecken, die eine Tour von Jena dorthin hat.

Mit den allerbesten Wünschen für Ihr Wohlergehen, lieber Häckel, bin ich Ihr

Ihnen von Herzen ergebener

Georg

aeingef.: kurz; b eingef.: es

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
19.04.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 10250
ID
10250