Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 29. September 1892
Heidelberg, 29 Sept. 92.
Liebster Freund!
Wenn es erst jetzt mir möglich ist, meiner Gesinnung gegen Dich durch brieflichen Glückwunsch Ausdruck zu geben, so trifft die Ursache davon auf das Gerücht, welches Dich nach Schottland entschwinden ließ, zu einer Zeit, da mir Deine Anwesenheit in Deutschland, ja im trauten Heim, als das Wahrscheinlichere erscheinen mußte. Aber die Zeitung hatte sich so bestimmt geäußert und fand durch Eggeling mündliche || Bekräftigung, daß auch das Unwahrscheinliche Glauben gewann, und erst durch Deine Rothenburger Karte erwünschte Aufklärung fand. Mein Telegramm wird noch rechtzeitig in Kissingen Dich erreicht haben, und ich konnte in der Ferne in theilnehmender Erinnerung das Vierteljahrhundert an mir vorüberziehen lassen, welches Dich an der Seite der Gattin und im Kreise blühender Kinder reichliches Glück genießen ließ. Möge dieses Glück Euch ferner treu begleiten, und der häusliche Herd, auf den die beifolgende kleine Gabe niederzulegen || Du mir gestatten magst stets eine gesegnete Stätte sein! Wie Du auf Deiner Reise, dem von Athene beschützten Odysseus gleich, großen Gefahren glücklich entgingst, habe ich erfahren. Mag es ein gutes Omen sein! Und nun noch herzliche Grüße, auch von meiner Frau, die sich meinen Wünschen anschließt für Euch beide!
Stets in brüderlicher Gesinnung
Dein
C. Gegenbaur.