Geheeb-Belart, Emmy

Emmy Geheeb-Belart an Ernst Haeckel, Freiburg im Breisgau, 12. Februar 1911

Freiburg im Breisgau 12 Februar | 1911.

Dreikönigstr. 20/4

Hochverehrter Herr Professor!

Gestatten Sie, daß ich Ihnen ein Exemplar unserer kürzlich erschienenen „Bryologia atlantica“ übersende, als Ausdruck der Verehrung, die mein treuer Mann stets für Sie gehegt, und die ich treu immer geteilt habe.

Nehmen Sie, der Künstler, der so bezaubernd Schönes mit dem Pinsel geschaffen, unser Werk nachsichtig auf!

Das Vorwort unseres jungen Freundes, Dr. Th. Herzog’s, erzählt || Ihnen die Geschichte der „Bryologia atlantica“. Mein geliebter Gatte hat leider die Veröffentlichung unserer gemeinsamen Arbeit nicht mehr erlebt!

Für die warme Teilnahme, die Sie mir bei meinem herben Verluste ausgesprochen sage ich Ihnen innigen, wenn auch späten Dank.

Ich trage schwer an meinem Leid, und täglich wächst das Heimweh und die Sehnsucht nach dem treuen Gefährten. Einsam durch die Tage zu gehen, und allein zu arbeiten, ist unsagbar hart. Ich weiß, ich bin undankbar: ich sollte mich freuen, daß ich ein so schönes Glück genoßen und habe teilnehmen dürfen an jeder Arbeit des geliebten Mannes. ||

Doch der Schmerz ist selbstsüchtig! Eben lese ich zuweilen Abends, ehe ich zur Ruhe gehe, wieder Ihre „Indischen Reisebriefe“. Und das giebt mir glücklichere Augenblicke. Kein noch so schöner Roman vermöchte mich so in seinen Bann zu ziehen, mich zu packen, zu entzücken, wie es Ihre herrlichen Naturschilderungen tun! Wie wohltätig fühle ich die augenblickliche Ablenkung (die aber immer wieder nachhaltig wirkt) und wie freue ich mich, wenn ich in meinem „Decaisne“ die einen oder andern dieser wunderbaren Pflanzen erwähnt finde. – Lebhaft stehn sie in ihrer Farbenpracht, dank Ihrer glühenden Schilderung, vor meinem geistigen Auge! – Wie gern möchte ich Ihnen die Hand drücken dürfen || für diesen reinen Genuß, wie ihn mir Ihr Buch verschafft! Auch die Menschen darin sind mir lieb geworden (Ganymedes) und ich möchte noch mehr von ihnen wißen.

Ich bin aber mit meinem Dank nicht zu Ende. Er gilt noch der gütigen Uebersendung Ihrer Photographie mit eigenhändiger Widmung. Ich bin sehr stolz darüber!

Indem ich des Datums dieser liebenswürdigen Zusendung gedenke, entsinne ich mich plötzlich, daß in wenig Tagen, am 16ten, ja Ihr Geburtstag ist. So darf ich den Schluß meines Briefes zusammenfaßen in den Wunsch: daß Sie, hochverehrter Herr Professor, noch lange in Gesundheit der Kunst und Wißenschaft erhalten bleiben mögen. – Empfehlen Sie mich, bitte, Ihrer Frau Gemahlin. In Verehrung

Ihre ergebene Emmy Geheeb-Belart.

 

Letter metadata

Recipient
Dating
12.02.1911
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
A 980
ID
980