Behm, Hans Wolfgang

Hans Wolfgang Behm an Ernst Haeckel, Karlsruhe, 14. April 1909

Karlsruhe den 14.IV.09.

Hochgeehrter Herr Professor!

Hocherfreut war ich, als ich gestern ihren Brief erhielt. Ich muß Ihnen für Ihre Mühe, die Sie sich genommen haben, den tiefsten Dank aussprechen; zugleich aber auch, da Sie mir es gütigst gestatten, bei Behandlung der Protozoen Ihre „Natürliche Schöpfungsgeschichte“ benutzen zu dürfen.

Ich habe mir nun die Sache überlegt; den Vorschlag, Herr Professor, den Sie mir gemacht haben, das gesammte „Protistenreich“ kurz zu behandeln, werde ich befolgen. Ich werde dann auch eingehen auf allgemeinere Tatsachen; wie Behandlung von Cytoden, Zellen etc. soweit mir || möglich ist. Allerdings habe ich mich mit dem Studium der „Protophyten“ fast noch gar nicht befaßt. Meine wenigen Kenntnisse beschränken sich hier fast nur auf die Diatomeen.

Ferner habe ich nicht die nötige Gelegenheit viele Protisten microscopisch zu beobachten und muß mich auf Abbildungen beschränken. Aber dennoch will ich die Arbeit auf das ganze „Protistenreich“ ausdehnen, namentlich, da Sie mir es noch so freundlichst gestattet haben, bei Bearbeitung mich an Ihre „Systematische Phylogenie“ halten zu dürfen. U. a. glaube ich noch die notwendige Hypothese der Archigonie behandeln zu müßen. ||

Ferner muß ich Ihnen, geehrter Herr Professor, noch meinen tiefsten Dank aussprechen, daß Sie es mir gütigst gewähren, bei Ihnen in Baden-Baden vorsprechen zu dürfen. Ich erlaube mir höflichst dasselbe am Sonntag, den 23 Mai zu tun. Immer und immer Herr Professor kann ich nicht den Tag vergessen, als ich zum erstenmal Ihre „Welträtsel“ in die Hand bekam, (es mögen jetzt 2 Jahre sein); es bildete sich in mir eine feste Weltanschauung, frei von allen übernatürlichen Dogmen. Dann fesselten mich Ihre großartige Anthropogenie, Ihre „natürliche Schöpfungsgeschichte“ etc. und ich kann den Schluß des letzten Vortrags nicht vergessen, der so sicher lautet: || „Kommende Jahrhunderte werden unsere Zeit, welcher mit der wissenschaftlichen Begründung der Entwicklungslehre der höchste Preis menschlicher Erkenntniss beschieden war, als den Zeitpunkt feiern mit welchem ein neues segensreiches Zeitalter der menschlichen Entwicklung beginnt, charakterisiert durch den Sieg des freien erkennenden Geistes über die Gewaltherrschaft der Autorität und durch den mächtig veredelnden Einfluß der monistischen Philosophie“ u. ich darf wohl kurz anfügen (ich kann nicht anders) unsere späteren Generationen werden einen „Ernst Haeckel“ als denjenigen verehren, der uns den Sieg des freien erkennenden Geistes herbeigeführt hat, sie werden ihn verehren gleich einen Martin Luther, als den Begründer einer Natur-Religion, deren feste Grundlage die monistische Überzeugung von der Einheit aller Naturerscheinungen, der Einheit von Geist & Körper, von Kraft & Stoff etc. ist.

Mit freundlichst aufrichtigstem Gruße

in tiefster Ehrfurcht

Hans Behm.

 

Letter metadata

Genre
Recipient
Dating
14.04.1909
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 7866
ID
7866