Besser, Käthe

Käthe Besser an Ernst Haeckel, Bonn-Poppelsdorf, 15. Februar 1899

Verehrtester Herr Professor,

Aus der Residenz zurückgekehrt – zunächst meinen wärmsten Gruß zum 16. Februar! Wenn gute Wünsche nur etwas in Erfüllung gehen, so werden Sie sich nicht zu beklagen haben! „Einen“ nur möchte ich aussprechen, daß Sie diesen Tag noch sehr, sehr oft in Ihrer jetzigen Frische erleben möchten! ehe der Wind von der Ammerbacher Felsplatte Ihre Asche im weiten All zerstreut, in dem All wo Sie den Kampf mit der Finsterniß so siegreich aufgenommen! Ihre Genesis eilt wohl dem Ende schon mit Riesenschritten entgegen? Wie Sie nach Vollendung des großen Werkes || aufathmen werden! Wie gerne ich in Ihrer Gesellschaft an die Riviera mitreiste, brauche ich wohl nicht zu sagen. Aber erstens kann ich meinen Mann in seinem Alter und seiner Anfälligkeit in solcher Entfernung – nicht allein lassen, und zweitens bin ich ein schlechter Reisekamerad. Professor Senator hat, wie seine Collegen hier, schwere Neurasthenie – alte Herzneurose und etwas Erweiterung des Herzens – konstatirt. Er hat mir eine modifizirte Mitchell-Playfair-Kur – (ohne a übertriebene Mästung) mit Massage, Abreibungen etc, verordnet, aber nicht zu Hause, sondern in schöner Gegend wo die Eindrücke der Natur günstig mit auf das Nervensystem einwirkten. ||

Er empfahl das Sanatorium Frey-Gilbert in Baden-Baden – oder Glion bei Montreux. Ich glaube es ist Hopfen und Malz bei mir verloren obgleich ich ersteren als Thee-Aufguß gegen mangelnden Schlaf gebrauche. Doch in unbescheidener Weise langweile ich Sie verehrter Freund, mit meiner Wenigkeit. Darum schnell etwas Erquicklicheres! Ich habe Ihnen einen Witz aus Berlin mitgebracht, den Sie hoffentlich noch nicht kennen. Warum ist Prinz Heinrich nicht Corvetten-Capitain geworden? Weil Majestät die R(h)ederei und das Geschwader für sich allein in Anspruch nimmt. – Und dann hat an den Litfass-Säulen, während seines Aufenthaltes in Palästina – gestanden: Wilhelm kehre zurück, es sei Dir Alles vergeben. – – Die Rede bei den Brandenburgern war doch das Tollste was er im Mystizismus geleistet hat || und übertrifft bei weitem Friedrich Wilhelm den IV. Die ungebüßte Sünde, der Fahneneid am Oelberg – die Verquickung des frommsten Matsches mit äußeren Vorgängen – wirklich ein paralytischer Heringssalat! –

Eine bescheidene, kleine Aufmerksamkeit geht Ihnen in Gestalt einer Ananas aus Berlin zu. Möchte sie Ihnen munden wie die in Indien. Trotz Alkohol-Verbotes werde ich ein Glas auf Ihr specielles Wohl leeren! – Stets

Ihre

treu ergebene

Käthe Besser

Bonn-Poppelsdorf | 15.II.99.

a gestr.: bes

 

Letter metadata

Recipient
Dating
15.02.1899
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 7546
ID
7546