Besser, Käthe

Käthe Besser an Ernst Haeckel, Bonn-Poppelsdorf, 15. Januar 1899

Bonn-Poppelsdorf 15.I.99.

Verehrtester Herr Professor,

Meinen flüchtigen Zeilen mit dem Veilchengruß hätte ich längst einen vernünftigen Brief folgen lassen – wenn ich nicht geradezu – ana beängstigendem Hirnschwunde litte. Ich bin nämlich – jeden Scherz bei Seite – nur mit Todesgedanken von früh bis Abend besetzt durch das sich immer steigernde Herzleiden. Seit Wochen leide ich an permanenter Schlaflosigkeit, für die mir der Professor Trional verschrieben hat. Mein Psychiater hat mir schon warnend vorgehalten || man könnte durch „das Besetzt sein mit einem Wort“ mente captus, – wie der Rheinländer sagt grutt – der Kölner in zarter Steigerung gnadsch grutt – werden. Eine schöne Aussicht! Während manche Leute nur zuweilen ihr Herz als Stein fühlen, habe ich fast immer den zweifelhaften Vorzug dieser Empfindung. Nur recht noch ein steinerner Klöppel, meistens in dem Stein. Diese egoistische Vorrede würde ich Ihnen gern erspart haben, aber sie soll die Motivirung meines Schweigens sein, denn ich darf als ein so einsichtig gewordenes Menschenkind an ein anderes, das über einen Doppel-Bregen verfügt, doch eigentlich garnicht zu schreiben wagen. ||

Ich wollte Ihnen noch für die nette Sylvester-Unterhaltung danken. Die wärmsten Sympathien hatte ich natürlich für die Antwort die in der inneren Mission die größte That des Jahrhunderts sicher. Heiliger Strohsack! – Säh‘ man’s nicht schwarz auf weiß, man hielte es für unmöglich. In 14 Tagen werde ich auch in der Metropole des Wissens und des Fortschritts sein. Ich will Senator, vielleicht auch Mendel, wegen meines Herzens konsultiren. Eigentlich ist’s Unsinn, denn wenn eine organische Veränderung vorhanden, hilft kein Gott und kein Geheimrath in Berlin. Jetzt, wo man noch Freude an den Talenten seiner Kinder || erleben könnte, muß man halt vielleichtb schon in die Aschen-Urne. Der maëstro meiner Ältesten – Professor Adolf Meyer in Berlin, hat sich sehr verheißungsvoll für ihr Maler-Talent ausgesprochen.

Ihre Cambridge-Rede, verehrtester Herr Professor – geht ja reißend ab, und können Sie davon allein mehrere Riviera-Reisen machen. Wann schnüren Sie das Reise-Bündel? Wie geht es mit Ihrer Gesundheit? In der Hoffnung, daß dieselbe ganz nach Wunsch, verbleibe ich in größter Verehrung

Ihre

treu ergebene

Käthe Besser

a eingef.: an; b eingef.: vielleicht

 

Letter metadata

Recipient
Dating
15.01.1899
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 7544
ID
7544