Georg Bertheau an Ernst Haeckel, Karlsruhe, 10. Februar 1904
Karlsruhe 10 Febr. | 1904
Lieber alter Freund.
Durch Zeitungsnotizen habe ich erfahren, daß Du am 16. d. M. Deinen 70. Geburtstag erreichen wirst. Da ich Deine gegenwärtige Adresse nicht weiß – Du sollst Dich in dem gesegneten Italien aufhalten, Du Glücklicher! – so sende ich diese paar Zeilen nach Jena, in der Hoffnung, daß sie Dir nachgeschickt werden.
Vor Allem wünsche ich Dir zum 70ten Jahre und noch viel länger Gesundheit & alles Glück, dessen wir noch in unsern Jahren theilhaftig werden können. Gesundheit macht Alles aus! Das habe ich leider an mir erfahren, daß ohne diese Alles wenig Werth hat. Nachdem ich wegen zerrütteter Nerven vor 15 Jahren meinen Beruf aufgeben mußte, zog ich vor etwa 12 Jahren hierher || u. kaufte mir in einer stillen Stadtgegend nahe am Walde ein schönes Haus mit Garten. Leider befiel mich vor über 6 Jahren ein eigenthümliches Knieleiden. a Sogenannte interessante Fälle sind aber in der Regel für den Betroffenen verhängnißvoll. So auch bei mir. Seit über 6 Jahren liege ich unter großen Schmerzen auf der Chaiselongue, und kann nur unter noch größeren wenige Schritte gehen, oder am Schreibtisch sitzend schreiben. Auch an diesem Briefe schreibe ich mehrere Tage.
Doch genug des Jammerns! Ich könnte sonst nicht damit aufhören.
Lieber Freund! Du könntest meiner lieben Frau, die so getreulich für mich sorgt, und mir keineb größere Freude bereiten, als wenn Du auf Einer || Deiner Reisen uns wenn auch nur en passant besuchen wolltest.
In dieser Erwartung verbleibe ich mit herzlichen Glückwünschen u. Grüßen an Dich u. Empfehlung an die Deinigen
Dein alter Freund und Krüppel
Dr. G. Bertheau
Westendstraße 64, Karlsruhe.
a gestr.: In; b korr. aus: keinen