Breitenbach, Wilhelm

Wilhelm Breitenbach an Ernst Haeckel, Brackwede, 1. Mai 1913

Brackwede, 1.5.1913

Sehr geehrter Herr Professor!

Endlich bin ich von meiner schweren Erkrankung soweit genesen, dass ich seit einiger Zeit das Bett verlassen habe und sogar, allerdings mit grossen Unterbrechungen, einige Stunden des Tages ganz leichte Arbeit verrichte. Nachdem ich eine Anzahl dringender geschäftlicher Angelegenheiten erledigt habe, soll es nun das erste sein, Ihnen meinen herzlichsten Dank auszusprechen für die grosse Teilnahme, die Sie mir während meiner Krankheit bekundet haben. Diese Teilnahme hat mich ausserordentlich gefreut und ich glaube meinen Dank für sie nicht besser bekunden zu können als dadurch, dass ich Ihnen die Versicherung gebe, ich werde auch in Zukunft für unsere gute und grosse Sache des Monismus und der Volksaufklärung nach besten Kräften arbeiten und kämpfen.

Die Besserung in meinem Befinden macht leider nur sehr langsame Fortschritte, so dass es noch Wochen dauern wird, bis ich meine volle Kraft werde wiedergewonnen haben. Ich bin noch sehr schwach und abgespannt und besonders Lesen und Schreiben strengt mich so an, dass ich nach wenigen Minuten die Arbeit unterbrechen muss. Besonders das Schreiben mit der Hand ermüdet mich so sehr, dass ich kaum zwei oder drei Postkarten hintereinander schreiben kann. Mit der Maschine geht es etwas besser und leichter, weshalb ich auch diesen Brief mit ihr schreibe.

Gerade heute vor vier Wochen musste ich mich legen, zwei Tage darauf war ich ohne Bewusstsein und phantasierte das tollste Zeug zusammen. An || einem Tage war, wie ich wohl gemerkt habe, die Sache nicht ungefährlich, doch gelang es meinem Arzte, das Schlimmste zu verhüten.

Schrecklich ist mir jetzt, dass ich fast den ganzen Tag untätig sein muss. Es liegen ganze Stösse von Briefen hier, die beantwortet werden müssen und ganze Stösse von Zeitschriften und neuen Büchern. Ich hoffe aber, dass die Besserung doch ständig fortschreitet und dass ich nach und nach mehr arbeiten kann.

Es hat mich mit grossem Bedauern erfüllt, zu hören, dass Ihre Frau Gemahlin neuerdings an einer Verschlimmerung ihres Herzleidens leidet. Kann sie nicht versuchen in Nauheim Erholung zu finden?

Wenn es mein Zustand gestattet, werde ich Mitte Mai wohl nach Berlin fahren, um dort einen grossen Teil der Bilder zu dem geplanten Tafelwerk auszusuchen und zusammen zu stellen. Die Verlagshandlung „Vita“ wird bis dahin alle von mir bezeichneten Werke beschafft haben. Vielleicht mache ich dann die Rückreise über Jena und ich werde mir gestatten, Sie dann aufzusuchen.

Mit nochmaligem herzlichsten Dank für Ihre grosse und liebenswürdige Teilnahme verbleibe ich mit besten Grüssen in alter Treue

Ihr dankbar ergebener Schüler

Dr. W. Breitenbach

 

Letter metadata

Recipient
Dating
01.05.1913
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 6129
ID
6129