Crompton, Elli von

Ella von Crompton an Ernst Haeckel, Wilmersdorf, 30. Dezember 1910

Wilmersdorf, Ringbahnstr. 247.

30.12.1910.

Hochverehrte Excellenz,

von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, ein recht glückliches und gesundes Neues Jahr, daß es Ihnen recht viel Freude und Gutes bringen möchte! Diesen aufrichtigen Wünschen schließt sich mein Mann mit besten Empfehlungen an Herrn Geheimrat an. – Hoffend, daß Sie recht wohlbehalten in Ihr liebes Jena heimgekehrt sind und Sie noch recht frohe Stunden mit Ihren Neffen verlebt haben, denke ich Sie mir, so gerne wieder in Ihrem schönen, lieben Arbeitszimmer mit dem prachtvollen weiten Blick in’s liebe Saaletal und dem rötlich strahlenden Gipfel gegenüber. Besonders Abends, rotaufglühend mit violetten Schlagschatten sind Ihre Muschelkalkberge doch am schönsten. || Ach, hier fehlt so ganz ein Ausruhen, der Blick in die Weite, – dies Häusermeer, – nur Nachts kann der arme Großstadtmensch einen Hauch der Unendlichkeit spüren, wenn der gestirnte Himmel über ihm leuchtet. –

Vor Allem möchte ich doch nun aber Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, danken, daß Sie mir trotz Ihrer knappen Zeit doch noch ein kleines Weilchen davon geschenkt haben. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, so sehr es mich auch betrübte, daß ich Sie nicht in meinen Heim empfangen konnte. Auch muß ich mich schnell noch einer Schuld entledigen, ich sollte Ihnen ja, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, wenn ich Sie sprechen würde, Grüße der Familie Friederici aus Südende ausrichten, ich bitte Sie, das Versäumnis mit der kurzen, eiligen Zeit zu entschuldigen. Überhaupt – ich hätte ja so gerne eingehender mit Ihnen gesprochen – aber || dies kleine Viertelstündchen wollte ich doch Sie, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, möglichst viel erzählen lassen und lieber zuhören, denn sonst – auch bis Potsdam wäre ich noch lange nicht fertig geworden. So werde ich wohl doch am besten einmal nach Jena herüber flitzen müssen, wenn es Ihnen angenehm, was meinen Sie dazu? – Zu gerne wollte ich Sie doch auch nach Ihrer lieben Kunst fragen und davon erzählen hören – und so Vielesa noch.

Sagen Sie doch, hochverehrter, lieber Herr Geheimrat, ist der besprochene Dr. Teichmann (Tartüffe) derselbe Dr. Ernst Teichmann, der für den „Kosmos“ schreibt über „Vererbung“, „Zeugung“ etc.? Ich hielt früher den „Kosmos“, doch bringen die Schriften desselben eigentlich so garnichts, sie schürfen nur so allgemein an der Oberfläche. Können wir dem Manne nicht das Handwerk legen? –

Steht Ihr Geburtshaus in Potsdam noch u. wo? || Ihnen, hochverehrter, lieber, guter Herr Geheimrat, nochmals Alles Gute und Beste wünschend, hoffe ich sehr, auch einmal wieder auf ein paar liebe Zeilen von Ihnen, da dieselben immer Festtage für mich bedeuten, aber Festtage sind im Leben sehr selten, nicht wahr? – Doch nun darf ich Ihre kostbare Zeit nicht länger in Anspruch nehmen.

Mit aufrichtigen, herzlichsten Grüßen bin und bleibe ich unverändert immer

Ihre Sie hochverehrende, Ihnen treu ergebene, stets dankbare

Ella v. Crompton geb. Gewert.

a korr. aus: vieles

 

Letter metadata

Recipient
Dating
30.12.1910
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 4403
ID
4403