Anonym

Anonym an Ernst Haeckel, o. O., o. D.

Geehrter Herr Professor!

Der Artikel in der Gartenlaube erregt ein Sie compromittirendes Aufsehn. Wollten Sie Ihren Jungen taufen lassen, hätten Sie das wohl im engsten Familienkreise besorgen können, jedenfalls aber nicht einen Mann einladen sollen, dessen Fach es ist, alles interessante Erlebte öffentlich auszuplaudern. Bei Ihnen, die Sie die schroffste Stellung einnehmen und die Consequenz als Erster beanspruchen, erscheint die Art in der That als unbegreiflich. Es ist so ganz dasselbe, als wenn der Pfarrer auf der Kanzel predigte: Lieben Brüder, der Verstand verbietet uns, der Bibel zu glauben, laßt uns aber, weil es die Sitte fordert, das Vaterunser beten und in christlicher Gemeinschaft das Heilige Abandmahl begehen. War der taufende Geistliche ein Ehrenmann, so hat er kaum Ihre Schriften studirt.

Darauf können Sie sich verlassen. Sollte ich einst glücklicher Familienvater werden, wird mein Junge weder mit Wasser noch mit Wein getauft. Daß letzterer bei dem frohen Ereigniß reichlich getrunken wird, ist damit nicht ausgeschlossen. – Eine Erklärung gleichen Orts wäre wünschenwerth.

Ein Student, der Sie als Naturforscher

ungeheuer verehrt,

nun aber Ihre Persönlichkeit

– sagen wir – nicht versteht.

 

Letter metadata

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Recipient
Place of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
A 43702
ID
43702