Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, Berlin, 27. April 1881

Seit mehreren Decennien mit dem speciellen Studien der niederen Seethiere beschäftigt, habe ich die Kenntniß ihres Körperbaues und ihrer Entwicklungsgeschichte, sowie ihrer Systematik, durch mehrere Monographien zu fördern mich bemüht (Monographie der Radiolarien 1862; der Gorgoniden 1865, der Siphonophoren 1869; der Moneren 1870; der Kalkschwämme 1872; der Medusen 1880). Im Verlaufe dieser Untersuchungen, welche größtentheils am Mittelmeer oder an der atlantischen Westküste von Europa, zum Theil auch auf den canarischen Inseln und am rothen Meere angestellt wurden, gewann ich mehr und mehr die Überzeugung, daß zu einer vollständigeren Kenntniß jener Thiergruppen und zur Ausfüllung der zahlreichen vorhandenen Lücken namentlich eine ausgedehntere Erforschung der verschiedenen Faunen-Gebiete, insbesondere der in dieser Beziehung noch so wenig bekannten Tropen-Zone erforderlich sei. ||

Zwar haben die großartigen, namentlich auf die Tiefsee-Fauna gerichteten Forschungen der Challenger-Expedition in den letzten Jahren eine überraschende Fülle neuer Formen und Lebens-Erscheinungen aus dem Gebiete der niederen Seethiere zu Tage gefördert; allein diese Forschungen beschränkten sich größtentheils auf einzelne Striche des atlantischen und pacifischen Oceans. Hingegen wurde der indische Ocean – in diesen Beziehungen gerade einer der unbekanntesten Regionen – von jener trefflich ausgerüsteten Expedition nicht berührt.

Ich beabsichtige nun, einem längst gehegten Wunsche folgend, eine genauere Untersuchung der oben genannten und mir am besten bekannten Thier-Gruppen im indischen Ocean und in den Süßwasser-Becken Indiens auszuführen und im nächsten Herbste (September) eine Reise nach Vorder-Indien (Bombay, Goa etc) sowie besonders nach Ceylon zu unternehmen. Im Ganzen ist die Dauer der Reise auf 7–8 Monate bestimmt, wovon 2 Monate auf die Hin- und Rückreise fallen. || Die Kosten dieser Reise werden sich nach einem vorläufigen Anschlage ungefähr auf 12,000 Mark belaufen, und zwar 4,000 Mk für die Hin- und Rückreise, 3,000 Mk für den Aufenthalt in Indien (circa 200 Tage à 15 Mk), 5,000 Mk für die dortigen Local-Reisen, Dredging-Expeditionen, Sammlungs-Materialien etc. Die Ausdehnung der letztgenannten Unternehmungen, insbesondere der Spiritus-Sammlungen und der kostspieligen Tiefsee-Schleppnetz-Fischerei, wird vom Betrage der disponiblen Mittel abhängen.

Da ich die Kosten dieser wissenschaftlichen Reise nicht aus eigenen Mitteln bestreiten kann, bin ich genöthigt, die Unterstützung wissenschaftlicher Institute nachzusuchen und erlaube mir daher zunächst an die Königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin die ergebenste Bitte zu richten, entweder aus ihren eigenen Fonds oder aus denjenigen der Humboldt-Stiftung mir die Mittel zur Ausführung meines seit langer Zeit vorbereiteten Unternehmens gewähren zu wollen.

In vorzüglicher Hochachtung

Dr. Ernst Haeckel

Professor der Zoologie

an der Universität Jena.

Berlin den 27. April | 1881.

 

Letter metadata

Recipient
Dating
27.04.1881
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften
Signature
II-VIb, Bd. 30, Bl. 31-33
ID
42431