Engelmann, Theodor Wilhelm

Theodor Wilhelm Engelmann an Ernst Haeckel, Leipzig, 14. Juli 1888

Leipzig, Gellertstr. 7. Samstag

14/7. 88.

Lieber Freund!

Anfang nächster Woche möchte ich auf einige Tage hinüberkommen, falls Ihr noch an mich denkt. Leider war mirs diese Woche absolut unmöglich. Ich hoffe sehr, daß man mich nicht aufgegeben hat, weil ich nicht sofort bedingungslos zu kommen versprach. Kein billig denkender wird mirs verargen, daß ich ein solches Versprechen schon jetzt zu geben für ein Unrecht halte. Ich muß erst an Ort u. Stelle sehen u. hören, eben Alles was sich auf das beabsichtigte physiologische Institut bezieht. Preyer war so gut mir schon Manches mitzutheilen, aber es genügt mir noch nicht. Dann möchte ich auch andere Leute hören. Ich kann nur wiederholen, daß nach Allem was ich bis jetzt in Erfahrung brachte, ich es für äußerst wahrscheinlich halte, daß ich einen eventuellen Ruf annehmen würde u. ich glaube nicht, daß ein Besuch in Jena anders als zu Gunsten Jenas wirken wird. Doch möchte ich nicht den Schein heben, als ob ich durch persönliche Bemühungen Euch zu meinen || Gunsten stimmen wolle. Es wissen nicht alle, daß die Initiative in dieser Sache von Jena u. nicht von mir ausgegangen ist. Wenn Du also meinst, daß man jetzt lieber nicht weiter auf mich reflektirt – was mir ungemein Leid thäte – so käme ich auch nicht hinüber. Andernfalls wüßte ich gerne, welcher Tag Dir u. überhaupt wohl der geeignetste wäre. Dein Institut, das physikalische, die sonstigen neuen Universitätsanstalten würde ich in Augenschein nehmen, die Pläne zum neuen physiologischen Institut prüfen, den Ort an dem es erbaut werden soll sehen wollen u.s.w. Dazu wird voraussichtlich nicht jeder Tag gleich passend sein. Vielleicht giebst Du mir einen Wink?

Ich habe ein Gefühl, daß mit dem Heimweh verwandt ist. Mir ist als ob ich in Jena einer zweiten, schönen Jugend entgegen ginge! Darum noch einmal! es thäte mir entsetzlich Leid, wenn mir die Aussicht, der Eure zu werden, abgeschnitten werden sollte! Dies aber nur für Dich!

Meine Frau, die morgen früh hierher kommt, bringe ich mit. Sie wird mit ihren Augen wie mit den meinen sehen!

Von Herzen, Dein alter, übrigens noch recht jugendlicher

ThW Engelmann. ||

Was sagst Du zu Carus, der gestern seinen ersten Jungen gekriegt hat! Das ist doch noch Keimplasma! Russisches u. deutsches gemischt muß die Species der die Zukunft gehört geben? Heiliger Weismann hilf u. gieb Deinen Segen!

 

Letter metadata

Recipient
Dating
14.07.1888
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 4177
ID
4177