Ernst Haeckel an Wilhelm Breitenbach, Jena, 14. April 1913
Jena 14.4.1913.
Lieber Herr Doktor!
Mit aufrichtiger Teilnahme hat mich die überraschende Nachricht von Ihrer schweren Erkrankung erfüllt.
Ich fühle mit Ihnen (– auf eigene traurige Erfahrungen gestützt! –), wie sehr diese schlimme Störung Ihrer unablässigen und vielseitigen künstlerisch literarischen Tätigkeit Sie dezimieren muß.
Ich hoffe von Herzen, bald bessere und nähere Nachricht über Ihren Zustand zu erhalten. Auch mein invalider Zustand ist miserabel und läßt mich zu keiner ordentlichen Arbeit mehr kommen; um so mehr als meine arme Frau (jetzt 70 Jahre alt und seit mehr als 20 Jahren krank) seit 4 Monaten an einer bedenklichen Verschlimmerung ihrer Herzkrankheit leidet. ||
An dem übersandten Aufsatz: „Die Natur als Künstlerin“ (dessen Korrektur anbei zurückfolgt) habe ich Nichts zu verbessern gefunden. Nur habe ich (auf S. 5) in Parenthese den Namen des geistreichen Kritikers (– Professor der Kunstgeschichte Karl Voll in München –) eingefügt, der in dem „Süddeutschen Monatshefte“ (1910) meine „Kunstformen“ so heruntergerissen hatte. Das dürfte manche Leser interessiren. Wenn Sie es aber für besser halten, streichen Sie den Namen.
– Den übersandten kleinen Aufsatz über „Gonochorismus und Hermaphrodismus“ können Sie nach Belieben verwerten (Abdruck aus Magnus Hirschfelds Jahrbuch a für Sexuelle b Zwischenstufen, Jahrg. XIII., Heft 3. Verlag – Max Spohr, Leipzig). –
Mit besten Wünschen für baldige und volle Genesung
Ihr alter
Ernst Haeckel.
a gestr.: ausführ; b gestr. Wissenschaft