Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Walter de Gruyter, Jena, 25. Mai 1916

Jena 25.5.1916.

Hochgeehrter Herr Doktor!

Mit herzlichster Teilnahme erfuhr ich durch Ihr letztes Schreiben, daß auch Sie durch den Heldentod Ihres jüngeren Sohnes einen schweren Verlust erlitten haben und daß Sie wegen seines älteren Bruders in Sorge sind. Ich kann die Schwere dieses schmerzlichen Geschickes ganz mit empfinden, da auch ich im Kreise meiner nächsten Verwandten und Freunde, besonders hoffnungsvoller Schüler, zahlreiche Opfer dieses beispiellosen Weltkrieges zu beklagen habe. Wann und Wie soll dieses entsetzliche Völker-Morden enden? Und welche unerhörten Folgen wird dasselbe später nach sich ziehen? ||

Vor Jahresfrist teilte ich Ihnen mit, daß ich (– vor Thoresschluß! –) noch einen lange gehegten Wunsch ausführen und eine populäre Schrift über Radiolarien herauszugeben wünsche; etwa unter dem Titel:

– „Strahlinge“ (– oder „Strahlingsleben“ –)

Eine gemeinverständliche Einführung in die Naturgeschichte der Radiolarien –

von Else Meyer.

Mit einem einleitenden Vorwort und einem ergänzenden Nachwort von Ernst Haeckel

(Mit 200 – (oder 150 –) Illustrationen).

– Der beschreibende Text den meine älteste Enkelin Else (– ein ungewöhnlich begabtes und für Biologie interessiertes Mädchen von 21 Jahren –) unter meiner Anleitung im Laufe dieses Jahres geschrieben hat, würde (ohne die Illustrationen) etwa 4-5 Druckbogen 8° umfassen – und ungefähr eben so viel mein eigener Text, den ich im Laufe des nächsten Halbjahres würde abschließen können. ||

Die Illustrationen (150-200 Figuren) würden sämmtlich durch Autotypie (Raster-Ätzungen) aus meiner, in Ihrem Verlage erschienenen Monographie – möglichst billig! – herzustellen sein – entweder einzeln in den Text gedruckt – oder (wohl besser und auch billiger) auf 16-20 Tafeln, zur Papier Ersparnis beiderseitig bedruckt.

Auf Honorar würden wir Beide verzichten, wenn uns eine gewünschte Anzahl von Frei-Exemplaren zur Verfügung gestellt würde.

– Falls Sie jetzt geneigt sein sollten (trotz der schwierigen, durch die Zerstörungen des Weltkrieges bedingten Geschäftslage) den Verlag dieses Buches (von 160-200 Druckseiten ungefähr) zu übernehmen, würde es wohl nötig sein, daß Sie mich im Laufe der nächsten Monate mit einem Besuch in Jena beehrten, um die zahlreichen einzelnen Fragen der Drucklegung mündlich zu besprechen. ||

Da Sie als Verleger meiner Monographie der Radiolarien das nächste Interesse an dieser (– vielseitig gewünschten –) Popularisierung des wenig bekannten, und doch hochinteressanten Gebietes der Biologie besitzen, fühle ich mich verpflichtet, diese vorläufige Anfrage zunächst an Sie zu richten. Sollten Sie dieselbe (– was unter den jetzigen Zeit-Verhältnissen sehr begreiflich ist –) ablehnen, so würde ich die gleiche Anfrage an einen meiner anderen Verleger richten, etwa an Gustav Fischer (Jena) oder an Alfred Kröner (Leipzig). Eile hat die Ausführung der Drucklegung nicht, da das Buch doch erst im Jahre 1917 erscheinen könnte.

Mit freundlichen Grüßen

hochachtungsvoll

Ihr ergebener

Ernst Haeckel.

 

Letter metadata

Recipient
Dating
25.05.1916
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
Staatsbibliothek Berlin PK, Verlagsarchiv Walter de Gruyter
Signature
M 7704 Dep. 42, R2, Haeckel, Ernst, Bl. 117r-118v
ID
40662