Haeckel, Ernst

Ernst Haeckel an Bartholomäus von Carneri, Jena, 30. August 1882

Jena 30 August 82

Hochverehrter lieber Freund!

Gestern Abend bin ich wohlbehalten in mein kleines Nest an der Saale zurückgekehrt, und heute soll es nun mein Erstes sein, Ihnen meinen herzlichsten und aufrichtigsten Dank für die gütige Gastfreundschaft zu sagen, die Sie mir in Ihrem waldumkränzten Schlosse an der Drau so liebenswürdig und freundschaftlich gespendet haben. Die 11 Tage in Wildhaus gehören zu meinen angenehmsten Reise-Erinnerungen, und ich nehme sie als gute Vorbedeutung für das glückliche Gelingen des Ceylon-Werkes, dessen Bilder in Ihren gastlichen Räumen geplant und zusammengestellt wurden. ||

Es war gut, daß bei dieser Reise der Naturgenuß nur als Nebensache mitgenommen wurde; denn das Wetter bleib meistens ungünstig. Den ersten Tag (Montag 21.) regnete es „Bindfäden“ von Anfang bis zu Ende. Ich mußte direct bis Franzensfeste durchfahren, da in dem überfüllten Innichen kein Unterkommen zu finden war. Über den Brenner war das Wetter schön, hingegen in Kufstein wieder strömender Regen. Die berühmte „Patronen-Kiste“ von Ceylon brachte ich hier im Wagen über die deutsche Grenze und schickte sie dann per Eisenbahn unbehindert heim! Ein schlauer Österreichischer Zoll-Beamter gab mir selbst diesen guten Auskunfts-Weg an die Hand! Also auch dieser Zwischenfall ist glücklich erledigt! || In München blieb ich 2 Tage, um einen Verleger für das Ceylon-Werk zu finden, leider umsonst! Ich überzeugte mich, daß unternehmende Verleger noch schwerer als „Menschen“ zu finden sind, selbst wenn man mit der Diogenes Laterne in alle Winkel hinein leuchtet. Glücklicher war ich in Stuttgart, auf das ich von Anfang an besonders gerechnet hatte. Hier hat Herr Kröner vorläufig den Verlag übernommen, allerdings unter der Voraussetzung, daß der tauglichste Zeichner, Herr Keller-Leutzinger, seine hohen Honorar-Forderungen bedeutend ermäßigt, und daß die größten Ansichten (20 zu 25 Centimeter) nur auf 16–20 sich belaufen. Auf größere Bilder (und besonders auf den von Herrn von Königsbrunn geplanten Atlas) will leider kein Verleger eingehen, und so wird dessen Mitwirkung leider wohl nur indirect sein! ||

Hier fand ich bei der Heimkehr alle Lieben wohl vor und mußte Viel von Wildhaus erzählen. Übermorgen (zum Sedan-Feste) habe ich den Kindern die Vorstellung der wunderbaren Zauber-Kunst versprochen, die ich durch die Güte der lieben Fräulein Fritzi gelernt, und hoffe ich, daß das mathematische Genie meiner gütigen Lehrerin mich dabei umschweben wird! – In einem hier vorgefundenen Briefe beurtheilt Herr Rodenberg (der Redacteur der Deutschen Rundschau) meinen Eisenacher Vortrag fast mit denselben Worten, wie Sie, hochverehrter Freund! Also: „Quod felix faustumque sit“! – Für Ihren lieben Brief, den ich bei Keller in Stuttgart vorfand, danke ich herzlich. Vor Allen aber sage ich Ihnen und den hochverehrten lieben Damen, die mich so freundlich aufgenommen haben, nochmals den allerherzlichsten und aufrichtigsten Dank!

Ihr treu ergebener

Ernst Haeckel

P. S. Die versprochenen Bücher kommen nächste Woche.

 

Letter metadata

Dating
30.08.1882
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Slg. Wilhelm Börner
Signature
H.I.N. 167201
ID
40120