Deubler, Konrad

Konrad Deubler an Ernst Haeckel, Goisern, 3. Juni 1883

Dorf Goisern den 3. Juni 1883

Theuerer Freund!

Lange, recht lange schon habe ich von Ihnen nichts gehört und auch nichts gelesen, Sie müssen einen alten Freunde der Sie so liebt und Verehrt schon verzeihen das ich Sie meinen schlechtgeschriebenen Zeillen einmal wieder belästige. Sie haben mir in Ihren letzten Freundschaftlichen Briefe von einen Buche geschrieben, nähmlich „Ludwigs Feuerbach’s Philosophie von Albrecht Rau“. Und einige a Wochen spätter hat mir die Tochter Feuerbach dieses nähmliche Buch zugeschükt. Ich habe es diesen Wintter durchgelesen und habe mich in dieser höchst Intressanten Lektüre sehr Erbaut!

Ich bin Ihnen sehr viellen Dank schuldig, das Sie mich auf dieses Buch aufmerksam gemacht haben, denn es ist ausser Ihren Schriften in der neueren Zeit kein Buch Erschienen, was mich in einen so hohen Grade gefeselt hätte. In der That, dieser Rau ist ein ganzer Mann und ich meine, wenn irgend Einer der neuern Philosophen im Stande ist, Feuerbachs Leben und wieder, wie sichs gebührt, vor aller Welt in Licht und Farbe zu setzen, abermahls das schlafende Leben zum Erwachen zu bringen. Denn der Christianismus bricht in dieser jezigen Reaktions Periode mit aller seiner Barbarei über ganz || Europa herein. Wir werden wohl schöne Dinge erleben. –

In einer solchen Zeit sind Männer wie Sie und dieser Rau, die einzigen Säullen im Tempel der freien Forschung der Wissenschaft! Dieser Rau führt eine schneidige Logik, eine kräftige Sprache, er spricht wie ihm der Schnabel gewachsen und wie er denkt, und ist durchwärmt von der Begeisterung für wahre Wahrheit und rechtes Recht, für verständigen Verstand und vernünftige Vernunft!

In Raus Buch hat mir bloß eines nicht gefahlen, dort wo er von der Social-Demokratie spricht, da ist er total auf fremden Boden. Dort strauchelt und Fält er. Es ist eine verdamte Geschichte, das die meisten Aufgeklärten deutschen Philosophen (z. B. nebstens Rau auch David Strauß) auf diesen Felde eine jämerliche Rolle spielen. Hätte sich Rau die Mühe genomen, sich in der Schatzkammer Social-Demokratischer Werke ersten Ranges umzusehen statt bloß nach Zeitungsberichten und geistreichen und nicht geistreichen Plaudereien zu greifen: oder wäre er so wie Ich in der untersten Stuffe des ganz gemeinen Lebens geboren und auferzogen worden – er würde sich anders ausgedrükt haben. – ||

Aber man kann eben nicht in dieser gegenwärtigen Zeit die Wahrheit schreiben –!

Die Haubtsache ist und bleibt, das der Feuerbachische Geist einen tüchtigen Vertheitiger gefunden hat, der im stande sein dürfte, den großen, muthigen Denker, und grossen Gelehrten von Rechenberg gerechter zu werden in der Schaffung weiterer Anerkenung.

Unser Freund Carneri hat mir auch eine sehr gute, prächtvol geschriebene, belobende Kritik im Kosmos zugeschükt.

Sind Sie mit dem Aufstellen und Ordnen Ihres Musseums noch nicht vertig?

Ich Erlaube mir Ihnen ein kleines heft von einen alten Freunde Fr. Mook beizulegen, wenn Sie es noch nicht kennen solten, so wird es Sie gewis Intressieren, Sie dürffen es mir nicht mehr zurückschüken. Ich habe diesen Mook einst in Nürnberg kennen gelernt, wo er Sprecher der dortigen Freien Gemeinde gewessen ist. Er ist auch Verfasser eines „Leben Jesu fürs Volk“ gewessen, hat spätter noch Medizin Studiert, und ist auf einer Afrika-Reise im Sommer 1880 in seinen 36 Lebensalter Ertrunken. ||

Als eine Neuigkeit muß ich Ihnen noch schreiben, das die Schwefel-Quelle in der Nähe meines Alpenhäuschen auf den Primesberg von Ministerium der Gemeinde Goisern zu einen Bade Orth Erhoben, und Ihr gegen einen Pachtzins von jährlich 200f, auf 40 Jahre überlassen worden ist. Die Quelle enthält nebst Schwefel Jod und Brom. Am vorherschensten ist Jod. Es wird eine Strasse angelegt und ein Badhaus gebaut. Man hat mir schon mein Häuschen abkaufen wollen, Alein ich könte [mich] unmöglich dazu Entschlüssen, das Haus wo Sie, und Ludwig Feuerbach gewohnt haben, zu verkauffen.

„Die Stätte, die ein guter Mensch betrat,

ist eingeweiht.“

Schlüßlich nochmahls meinen herzlichsten Dank für die „Reise-Briefe“. Möge Ihnen in Ihren alten Tagen eben ein solches Glük zu theil werden, wie ich mich zu Erfreuen habe! Behalten Sie mich lieb, und bleiben Sie mir alten Wirbelthier ein treuer Freund! Leben Sie wohl edler Menschenfreund, und lassen bald wieder etwas von Ihnen hören. Grüssen Sie mir Ihre liebe Frau.

In alter, treuer Freundschaft

Ihr glücklicher und zufriedener

Konrad Deubler.

a gestr.: Woche

 

Letter metadata

Recipient
Dating
03.06.1883
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 3966
ID
3966